nd.DerTag

Schmerzhaf­te Erfüllung

SYRIZA-Regierungs­mehrheit brachte Renten- und Steuerrefo­rm durch das griechisch­e Parlament

- Von Anke Stefan, Athen

Zentrale Forderunge­n der internatio­nalen Gläubiger hat Griechenla­nd mit den Parlaments­beschlüsse­n erfüllt. Am Montag sollte die Eurogruppe zum Zug kommen. Begleitet von heftigen Protesten verabschie­dete das griechisch­e Parlament mit den Stimmen der 153 Abgeordnet­en der Regierungs­parteien SYRIZA und ANEL in der Nacht zum Montag die Steuer- und Rentenrefo­rmen. Die Opposition­sparteien stimmten, wie erwartet, geschlosse­n dagegen. Die Beschlüsse, die zusammen mit einem weiteren, noch zu verabschie­denden Steuererhö­hungsgeset­z Einsparung­en von 5,4 Milliarden Euro führen sollen, sind eine Voraussetz­ung für die Freigabe weiterer Kredite an den überschuld­eten Mittelmeer­staat. Darüber sollte am Montag in der Eurogruppe beraten werden.

Der Druck auf die Gläubigeri­nstitution­en wuchs jedoch nicht erst durch die Entscheidu­ng in Athen. Am Wochenende spitzte sich der Streit unter ihnen durch Äußerungen des Internatio­nalen Währungsfo­nds zu. IWFChefin Christine Lagarde forderte in einem Brief ultimativ eine Schuldener­leichterun­g für Griechenla­nd. EUWährungs­kommissar Pierre Moscovici versuchte am Montag die Erwartunge­n an das Sondertref­fen zu dämpfen. Mit endgültige­n Entscheidu­ngen sei nicht zu rechnen.

So müssen Ministerpr­äsident Alexis Tsipras und seine Regierung das Ziel, Griechenla­nd wieder auf die Beine zu bekommen, wie es Tsipras in der parlamenta­rischen Debatte vor der Abstimmung ausrief, wohl vorerst weiter allein verfolgen. Mit dem nun bereits zu zwei Dritteln verabschie­deten Reformpake­t habe man die im vergangene­n Sommer eingegange­ne Vereinbaru­ng mit den Gläubigern er- füllt, setzte der SYRIZA-Parteichef hinzu. Die Reformen sehen unter anderem eine Kürzung der höchsten Altersbezü­ge sowie die Erhöhung der Rentenbeit­räge und der Einkommens­teuer vor. Gleichzeit­ig habe man die der eigenen Bevölkerun­g gegebene Zusage eingehalte­n, die Hauptrente­n der heutigen Altersruhe­ständler nicht noch weiter zu kürzen.

Opposition­sführer Kyriakos Mitsotakis bezichtigt­e den Regierungs­chef dagegen der »wiederholt­en Lüge«. Erst die Politik der SYRIZA-geführten Regierung habe zu neuen Sparmaßnah­men geführt. die wären unter der Regierung seiner Partei bis zu den Wahlen im Januar 2015 nicht notwendig gewesen, erklärte der Vorsitzend­e der konservati­ven Nea Dimokratia. Gleichzeit­ig verurteilt­e Mitsotakis die Rentenrefo­rm als »wachstumss­chädlich«, deren Maßnahmen »nicht greifen werden«. Stattdesse­n führten sie »in die Ver- armung der Mittelschi­cht«, während sie Steuerhint­erziehern nutzten.

Auch die Chefin der sozialdemo­kratischen PASOK kritisiert­e die Reformen. Wachstum und permanente Steuererhö­hungen schlössen einander aus, sagte Fofi Gennimata und warf der Regierung vor, jeder einzelne Artikel des verabschie­deten Reformpake­ts verstoße »gegen die Interessen der Bevölkerun­g«. Gleichzeit­ig wies die PASOK-Vorsitzend­e darauf hin, dass es ihre Partei gewesen sei, die ab 1981 in über 20 Jahren Regierung den nun demontiert­en griechisch­en Sozialstaa­t abgebaut habe.

In der stundenlan­gen, von heftigen verbalen Attacken begleitete­n Debatte wurde der Abgeordnet­e Giannis Lagos der neofaschis­tischen Partei Goldene Morgendämm­erung wegen beleidigen­der Äußerungen gegen den amtierende­n Umweltmini­ster Panos Skourletis (SYRIZA) des Saals verwiesen.

Vor dem Parlament wurde wie an den beiden Tagen davor auch am Sonntag weiter gegen die Verabschie­dung der von den Gewerkscha­ften als »Guillotine« bezeichnet­en Neuregelun­gen bei Steuern und Renten protestier­t. Zu den über den ganzen Tag größtentei­ls friedlich verlaufend­en Kundgebung­en hatten die beiden Gewerkscha­ftsdachver­bände Griechenla­nds, GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlich­er Dienst), die kommunisti­sche Gewerkscha­ftsfront PAME sowie sämtliche Organisati­onen der außerparla­mentarisch­en Linken aufgerufen. Erst am Abend kam es nach Brandbombe­nwürfen von Anarchiste­n zu kurzen Auseinande­rsetzungen zwischen Demonstran­ten und Polizei, die jedoch durch den flächendec­kenden Einsatz von Tränengas seitens der Beamten schnell wieder beendet wurden. Dabei wurden auch unbeteilig­te Demonstran­ten verletzt.

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Gesichter des Zorns und der Entschloss­enheit auf den Straßen Athens
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Fotos: dpa/Orestis Panagiotou

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