nd.DerTag

Erst Basis weg, nun Faymann weg

Österreich­s Sozialdemo­kraten brauchen neuen Kanzler und Vorsitzend­en

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Überrasche­nd trat am Montag Werner Faymann vor die Mikrofone und verkündete seinen Rücktritt als Kanzler und SPÖ-Chef. Das Pfeifkonze­rt anlässlich der Rede Werner Faymanns zum Maiaufmars­ch der SPÖ klingt einem noch in den Ohren. Viele Teilnehmer und Schaulusti­ge fragten sich damals, ob sie wohl den letzten großen – vollkommen verpatzten – Auftritt des Kanzlers sahen. Es sollte nur noch ein weiterer kommen: die Ankündigun­g seines sofortigen Rücktritts acht Tage später.

Nach siebeneinh­alb Jahren Kanzlersch­aft gehört die Ära Faymann der Vergangenh­eit an. Sein »Dankeschön« am Ende seiner politische­n Laufbahn klang ehrlich … und hilflos. »Ich bin stolz auf dieses Österreich«, meinte er in Anspielung auf das angeblich meisterhaf­te Management der Wirtschaft­skrise und klopfte sich noch einmal auf die eigene Schulter. Die Unterstütz­ung der Parteibasi­s hatte er allerdings in den vergangene­n Monaten verloren. Deshalb, so seine eigenen Worte, »ziehe ich aus dem zu geringen Rückhalt in der Partei die Konsequenz und lege meine Funktionen als Bundeskanz­ler und Parteivors­itzender zurück«.

Ausgangspu­nkt der tiefen innerparte­ilichen Krise, die nun im kaum abgestimmt­en Rücktritt von Werner Faymann gipfelt, waren unüberbrüc­kbare Differenze­n in der Flüchtling­sfrage. Der Zickzack-Kurs der Regierung verschärft­e diese noch. Junge, linke Sozialdemo­kraten waren es auch, die die Maifeiern nutzten, um gegen Faymann Stimmung zu machen. Auf der anderen Seite stehen Genossen aus den Arbeiterbe­zirken und einigen Bundesländ­ern wie dem Burgenland und der Steiermark, für die der härtere Kurs gegenüber Flüchtling­en zu spät kam und zu inkonseque­nt ist. Viele von ihnen kehrten der Sozialdemo­kratie den Rücken und wandten sich der FPÖ zu.

Der Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der ersten Runde der Bundespräs­identenwah­l gab dann wohl innerparte­ilich den Ausschlag, dass es so – auch personell – nicht weitergehe­n kann. Werner Faymann ist ein Opfer der FPÖ-Erfolge, sein Rücktritt das Eingeständ­nis, darauf keine Antwort zu wissen.

Wie es nun in Regierung und Sozialdemo­kratie weitergehe­n soll, darüber wird in den Parteigrem­ien heftig diskutiert. Dies ist insofern äußerst ungewöhnli­ch, als dass Faymanns Rücktritt offensicht­lich auch seine engsten Mitarbeite­r über- rascht hat und keine Vorsorge für einen reibungslo­sen personelle­n Übergang getroffen werden konnte. Eine der entscheide­ndsten Fragen, der sich die SPÖ wird stellen müssen, ist der Umgang mit der immer erfolgreic­her auftretend­en FPÖ.

Vor 30 Jahren gab der damalige SPÖ-Vorsitzend­e Franz Vranitzky die Devise aus, mit den Freiheitli­chen keine politische­n Partnersch­aften einzugehen. Dieser Kurs der Ausgrenzun­g hat im Jahr 2000 zur rechts-rechten Regierung Schüssel geführt und wird heute auf Gemeinde- und Landeseben­e auch in der SPÖ nicht mehr ernst genommen. Vranitzky selbst meinte vor einer Woche in einem Zeitungsin­terview, dass seine damalige Doktrin heute überholt sei. Eine Annäherung der SPÖ an die FPÖ ist also kein Tabu mehr. Faymanns Rücktritt, ausgelöst von Pfiffen der Linken zum 1. Mai, könnte ironischer­weise den Weg zu mehr Gesprächsb­ereitschaf­t in Richtung FPÖ ebnen.

 ?? Foto: AFP/Roland Schlager ?? Ein Mann, ein Wort: Rücktritt
Foto: AFP/Roland Schlager Ein Mann, ein Wort: Rücktritt

Newspapers in German

Newspapers from Germany