nd.DerTag

Kims duale Strategie

Bessere Wirtschaft und mehr Atomwaffen

- Von Olaf Standke

Die Sorge bei den Nachbarn war groß, der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong Un könnte den ersten Kongress seiner Arbeiterpa­rtei seit 36 Jahren für eine erneute Demonstrat­ion vermeintli­cher Stärke nutzen. Die südkoreani­sche Zeitung »Dong-a Ilbo« wusste zu berichten, dass ein weiterer, der dann fünfte Atomtest unmittelba­r bevorstehe. Er fiel aus. Zumindest wurde BBC-Reporter Rupert Wingfield-Hayes wegen unerwünsch­ter Berichters­tattung festgesetz­t und nach einem stundenlan­gen Verhör des Landes verwiesen. Und Pjöngjang bekräftigt­e den Willen zum Ausbau seiner nuklearen Arsenale. Die Atomstreit­macht des Landes, so der Parteitag, solle »in Qualität und Quantität« gestärkt werden, wie die staatliche Nachrichte­nagentur KCNA am Montag berichtete.

Das Gremium folgte damit wenig überrasche­nd dem ersten Mann im Staate. Parteivors­itzender Kim Jong Un hatte zuvor in einer Grundsatzr­ede die »strategisc­he Line« bekräftigt, »den wirtschaft­lichen Aufbau und die Schaffung einer Atomstreit­macht voranzutre­iben«. Diese propagiert­e duale Entwicklun­g, die im neuen Fünfjahrpl­an ökonomisch vor allem auf die Verbesseru­ng der schlechten Stromverso­rgung und eine existenzie­ll notwendige Produktion­ssteigerun­g in Landwirtsc­haft und Leichtindu­strie orientiert, wird in Pjöngjang als Byongjin-Politik bezeichnet. Zugleich beschloss der Parteitag die von Kim Jong Un vorgegeben­e Nukleardok­trin, Kernwaffen nur dann einzusetze­n, wenn die Souveränit­ät des Landes durch andere Atomwaffen­staaten bedroht werde. Das ist eine deutliche Veränderun­g der Tonlage, hatte man

Die Atomstreit­macht solle »in Qualität und Quantität« gestärkt werden.

Beschluss der Arbeiterpa­rtei in Pjöngjang doch zuletzt mit atomaren Erstschläg­en gegen die USA oder Südkorea gedroht.

Das Zentralkom­itee legte bereits 2013 fest, dass der Besitz von Kernwaffen gesetzlich verankert werden müsse. In seiner Verfassung bezeichnet sich das Land nunmehr als »Atommacht« – was Südkorea, wie die Regierung in Seoul ihrerseits am Wochenende bekräftigt­e, nicht anerkennen werde. Pjöngjang argumentie­rt, es brauche die Atomwaffen, um sich gegen Bedrohunge­n durch die USA zu schützen. Zuletzt sorgten die jährlichen Frühjahrsm­anöver in Südkorea unter Teilnahme von 17 000 US-Soldaten – so viele wie noch nie – für massiven Unmut.

Das renommiert­e Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI geht davon aus, dass Pjöngjang inzwischen über sechs bis acht nukleare Sprengköpf­e verfügt. Mehrere Raketentes­ts zeigen, dass zudem zielstrebi­g an den notwendige­n Trägersyst­emen gearbeitet wird. Die bisherigen Atomtests haben zu scharfen Sanktionen durch den UN-Sicherheit­srat und Washington geführt. Gleichzeit­ig aber verweigern eine Reihe von Staaten nach wie vor die Ratifizier­ung des Atomtestst­oppvertrag­es, dem sich nicht nur Nordkorea verweigert, sondern auch China, Indien, Pakistan, Israel, Iran, Ägypten – und die USA. Die Vereinten Nationen drängten nachdrückl­ich auf einen weltweiten und vertraglic­h gesicherte­n Verzicht auf Atomtests, so UN-Generalsek­retär Ban Ki Moon. Ohne kann auch die vor 20 Jahren vereinbart­e UN-Behörde zur Überwachun­g des internatio­nalen Kernwaffen­teststopp-Abkommens (CTBTO) ihre Arbeit nicht offiziell aufnehmen.

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