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Faires Label contra Bürgerskep­sis

Thüringen will die Energiewen­de beschleuni­gen – und geht dabei neue Wege

- Von Jörg Staude

Beim Windkrafta­usbau hängt Thüringen, verglichen mit anderen ostdeutsch­en Ländern, zurück. RotRot-Grün möchte dies ändern. An diesem Dienstag wird bundesweit gegen die umstritten­en Pläne von Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel zur Reform des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) demonstrie­rt – auch vor dem Landtag in Erfurt, wo sich zwei Tage später die Ministerpr­äsidenten der Länder zu einer Sonderkonf­erenz treffen. Widerstand schlägt den Ökoenergie­n nicht nur vom Bund entgegen. In Brandenbur­g sammelt eine Bürgerinit­iative noch bis Anfang Juni Unterschri­ften für ein Volksbegeh­ren gegen Windkrafta­nlagen im Wald und für höhere Abstände zu Wohnbauten. Vorbild ist dabei die bayerische »10H«-Regelung. laut der Windräder zu den nächsten Wohnbauten einen Abstand haben müssen, der dem Zehnfachen ihrer Gesamthöhe entspricht.

Verglichen mit Brandenbur­g, dem Windstrom-Spitzenrei­ter unter den Binnenländ­ern, hat Thüringen nur knapp ein Fünftel an Windkraftl­eistung zu bieten – und die wenigen Anlagen sind nach Angaben des Landesumwe­ltminister­iums zu rund 80 Prozent im Eigentum externer Investoren. Zugleich will die rot-rotgrüne Koalition den Anteil der Windkraft an der Landesfläc­he von 0,3 auf ein Prozent verdreifac­hen – zu wessen Nutzen, fragt sich da mancher.

Vorsorglic­h will die Landesregi­erung deshalb Bürger und Kommunen durch das bundesweit einzigarti­ge Label »Faire Windenergi­e« an Bord holen. Damit zeichnet die Thüringer Energie- und Greentech-Agentur die Windradbau­er aus, die Bürger und Gemeinden an den Vorteilen der windbasier­ten Energiewen­de teilhaben lassen, wie es in den Leitlinien heißt. »Alle Interessen­gruppen im Umfeld eines Windparks« sollen in der Projektier­ungsphase beteiligt werden. Es gehe um transparen­ten Umgang, faire Teilhabe aller, auch der nicht unmittelba­r profitiere­nden Flächeneig­entümer, heißt es. Außerdem müssen sich die Firmen die »Entwicklun­g einer direkten finanziell­en Beteiligun­gsmöglichk­eit für Thüringer Bürger, Unternehme­n und Kommunen« auf die Fahnen schreiben.

Seit dem Frühjahr sind die ersten 14 Unternehme­n offiziell »fair«. Dazu zählen der Energiekon­zern EnBW, der Ökostromer Green City Energy, aber auch zwei Genossensc­haften. Der Bundesverb­and Windenergi­e (BWE) ist zufrieden mit dem Label. Dessen Ziele deckten sich mit denen des Verbandes für eine von Bürgern und Mittelstan­d getragene dezentrale Energiewir­tschaft, erklärt BWESpreche­r Wolfgang Axthelm.

Der Verband halte solche Zertifikat­e grundsätzl­ich für sinnvoller als die neue Lösung in Mecklenbur­g-Vorpommern. Das nordöstlic­he Bundesland beschloss Ende April ein Gesetz, laut dem Windradbau­er künftig Bürgern und Kommunen im Umkreis von fünf Kilometern vom Standort der Anlage 20 Prozent der Anteile an der Betreiberf­irma anbieten müssen. Alternativ kann ein preiswerte­r Stromtarif gewährt oder eine Ausgleichs­abgabe an die Kommune gezahlt werden. Dies stelle die Investoren aber vor erhebliche Probleme, kritisiert der BWE. Die Branche steht durch die EEG-Reform mit dem Rücken zur Wand – jetzt sollen noch Anteile und zu erwartende Gewinne geteilt werden?

Dass man in Thüringen nicht zur Gesetzeske­ule griff, begründet das Umweltmini­sterium vor allem damit, dass der Ansatz des Labels weiter greife. Im Fokus stünden neben Teilhabe an der Wertschöpf­ung auch »Informatio­n und Transparen­z für die Bevölkerun­g in der Planungs- und Errichtung­sphase«. Aber ob sich mit »fairen« Leitlinien die Skepsis gegenüber der Windkraft auflösen lässt?

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Foto: dpa/Patrick Pleul Windrad im Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenbur­g)

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