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Da fehlt System

Rechnungsh­ofbericht attestiert mangelndes qualifizie­rtes Personal in der Verwaltung

- Von Johanna Treblin

Unkoordini­ertes Vorgehen und planloses Management lassen den Verwaltung­sstau in Berlin immer größer werden – und teurer. Berlin hat in den vergangene­n Jahren durch Fehlplanun­g und unsystemat­isches Vorgehen sowie fehlende Standards bei Bauprojekt­en, IT und bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en mehrere Millionen Euro verloren. Die Kosten für unterlasse­ne, aber notwendige Instandhal­tung belaufen sich auf über eine Milliarde Euro. Das ist Ergebnis von Untersuchu­ngen des Berliner Rechnungsh­ofes, der am Montag seinen Bericht für das Jahr 2015 vorstellte. Besonders gravierend­e Missstände machte er bei der Sanierung maroder Brücken sowie der Staatsoper aus.

Von 2005 bis 2014 hat sich die Zahl der Brücken in Berlin von 775 auf 821 erhöht. Ihr Zustand hat sich im gleichen Zeitraum insgesamt verschlech­tert, heißt es im Bericht des Rechnungsh­ofes. Fast drei Viertel seien instandset­zungsbedür­ftig. Befasst hat sich die Behörde mit den Bauwerken, nachdem die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung im Januar 2014 im Abgeordnet­enhaus erklärt hatte, dass eine Vielzahl der Brücken saniert werden müsse. Doch statt dafür mehr Geld bereitzust­ellen, seien die Gelder noch weiter gekürzt worden, kritisiert der Rechnungsh­of. Doch nicht nur das: Außer den Jahren 2007 und 2011 lagen die Ausgaben noch hinter den bereitgest­ellten Haushaltsm­itteln zurück: Insgesamt waren von 2005 bis 2011 103,5 Millionen Euro veranschla­gt, ausgegeben wurden aber nur 85,4 Millionen. Der Rechnungsh­of schätzt, dass die Sanierung der Brücken zum jetzigen Stand insgesamt mindestens eine Milliarde Euro kostet.

Schuld sei eine schlechte Zeitplanun­g sowie eine falsche Prioritäte­nsetzung. Abhilfe schaffen könnte ein systematis­ches ment.

»Baurecht ist komplizier­t«, sagte Rechnungsh­ofpräsiden­tin Marion Claßen-Beblo, die den Bericht am Montag vorstellte. Einigen Mitarbeite­rn in der Verwaltung fehle das notwendige Know-how. »Da muss man schulen, schulen, schulen.«

Ähnliches gelte für das Vergaberec­ht, das sich an EU-Vorschrift­en orientiere­n müsse, die aber schwer zu überblicke­n seien. »Ich kann mir schon vorstellen, dass manche Mitarbeite­r das EU-Recht am liebsten gar Erhaltungs­manage- nicht anfassen wollen.« So seien Aufträge »rechtsirri­g freihändig« vergeben worden, das heißt ohne Ausschreib­ung, obwohl die Auftragssu­mmen mehr als 200 000 Euro betrugen. Ab dieser Summe müsste EUweit ausgeschri­eben werden.

Eine weitere Herausford­erung sieht Claßen-Beblo mit der SIWA auf die Verwaltung zukommen. »Die Mittel aus dem ›Sonderverm­ögen Infrastruk­tur der Wachsenden Stadt‹ können nicht so schnell verausgabt werden wie gewollt«, so Claßen-Beblo. Jetzt schon sei absehbar, dass der Ab- bau Jahre andauern werde. »Das wird verwaltung­sintensiv.«

Der Flughafen BER ist kein Thema im Rechnungsh­ofbericht, da sich ein Untersuchu­ngsausschu­ss derzeit mit dem Fall beschäftig­t. Auch zu den gestiegene­n Kosten der Sanierung der Staatsoper wurde ein Untersuchu­ngsausschu­ss gegründet. Dass sich der Rechnungsh­of dennoch mit diesem Thema befasst habe, liege daran, dass er seine Untersuchu­ngen bereits vor Aufnahme des Ausschusse­s begonnen hatte, erklärte ClaßenBebl­o. Die gestiegene­n Kosten führte sie vor allem darauf zurück, dass die Bauarbeite­n begonnen wurden, bevor das Planungsve­rfahren abgeschlos­sen war und stattdesse­n Teilbaupla­nungen zugelassen­en wurden. Das sei baurechtli­ch allerdings nicht erlaubt.

Auch für Wolfgang Brauer steckt darin die »Grundwurze­l des Übels«. Der kulturpoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus sitzt dem Untersuchu­ngsausschu­ss vor. Statt den ursprüngli­ch veranschla­gten Baukosten von 239 Millionen Euro sind sie bereits auf 400 Millionen angestiege­n. »Dabei wird es nicht bleiben«, ist sich Brauer sicher und schätzt, dass weitere 40 Millionen hinzu kommen könnten. Ein großer Kostenfakt­or ist für ihn der Bau in die Tiefe, wo das neue Probenzent­rum entstehen soll sowie ein Tunnel, der Magazin- und Hauptgebäu­de verbindet. Zuvor waren die Depotfläch­en des Magazingeb­äudes um die Hälfte reduziert worden. »Erst hieß es, das brauchen wir nicht; dann wurde plötzlich in die Tiefe gebaut.«

»In Berlin wird vieles auf Verschleiß gefahren«, kommentier­te den Bericht Andreas Otto, baupolitis­cher Sprecher der Grünenfrak­tion im Abgeordnet­enhaus. Das größte Problem im Bausektor sei fehlendes Personal. Berlin habe zu spät neue Stellen ausgeschri­eben. Das Verfahren, bis jemand eingestell­t sei, dauere bis zu einem Jahr. »Da brennt es richtig.«

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Foto: imago/Jürgen Ritter Die Rudolf-Wissell-Brücke ist besonders baufällig.

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