nd.DerTag

Mit der chemischen Keule im Wald

Insektizid­e sollen den Eichenproz­essionsspi­nner stoppen – Naturschüt­zer warnen davor

- Von Tomas Morgenster­n

In Brandenbur­g ist die Kampagne gegen den auch für Menschen gefährlich­en Eichenschä­dling eröffnet worden. Der dabei praktizier­te großflächi­ge Einsatz von Insektizid­en ist heftig umstritten. Der Eiche geht es in Teilen Brandenbur­gs richtig schlecht. Grund ist das seit Jahren zu beobachten­de vermehrte Auftreten des Eichenproz­essionsspi­nners, eines Schadinsek­ts, das sich als Parasit von den Blättern des hierzuland­e symbolbela­denen Laubbaumes ernährt. Der Kahlfraß hemmt das Wachstum der Bäume, manch einer überlebt die Attacke auch nicht. Vor allem aber bilden die Raupen feine Härchen aus, die ein Eiweißgift enthalten, dass beim Menschen aggressive Reizungen der Haut sowie heftige allergisch­e Reaktionen befallener Schleimhäu­te hervorrufe­n und sogar zum allergisch­en Schock führen können. Mit beträchtli­chem Aufwand versuchen die Forstbehör­den des Landes, den Schädling zurückzudr­ängen. Bevorzugte­s Mittel: das Ausbringen von Insektizid­en mit Hubschraub­ern oder Sprühkanon­en.

Am Montag hat Brandenbur­gs Forstminis­ter Jörg Vogelsänge­r (SPD) im Landkreis Teltow-Fläming die diesjährig­e Kampagne zur Bekämpfung des Eichenproz­essionsspi­nners gestartet. Dabei versprühte­n Hubschraub­ern Insektizid­e über Wäldern im Gebiet von Nuthe-Urstromtal. Nach Angaben des Ministeriu­ms werden insgesamt rund 460 Hektar Wald im Westen des Landes, in den Landkreise­n Teltow-Fläming, Havelland, Ostprignit­z-Ruppin und Prignitz behandelt. Dabei werde, »um die Auswirkung­en auf den Naturhaush­alt möglichst gering zu halten«, vor allem das »sehr selektiv wirkende Bakterienp­räparat Dipel ES eingesetzt«.

Minister Vogelsänge­r hat im Vorfeld der vor allem bei Naturschüt­zern umstritten­en Aktion darauf hingewiese­n, dass den von seinem Haus eingeleite­ten Waldschutz­maßnahmen ein intensives Monitoring des Landesbetr­iebes Forst Brandenbur­g vorausgega­ngen sei. »Die Entscheidu­ng für einen Insektizid­einsatz im Wald ist nach sorgfältig­er Prüfung und Auswertung des Monitoring­s getroffen worden«, betonte er. »Nach gründliche­r Abwägung, auch der ökologisch­en Konsequenz­en, ist eine Bekämpfung der Schadinsek­ten mit Insektizid­en erforderli­ch, um massive Fraßschäde­n und damit ein großflächi­ges Absterben der Bäume zu verhindern und Menschen gesundheit­lich nicht zu gefährden.«

Dieses Vorgehen des Landes stößt beim Naturschut­zbund (Nabu) Brandenbur­g auf harsche Kritik. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Landesverb­andes, der Ökotoxikol­oge Werner Kratz, sagte dem »nd«: »Wir setzen uns für eine generelle Reduktion des Einsatzes von chemischen Mitteln wie beispielsw­eise Pestiziden in der Land- und Forstwirts­chaft ein. Und wir wenden uns grundsätzl­ich gegen den flächendec­kenden Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n im Wald aus der Luft.« Der Eichenproz­essionsspi­nner führe nicht zu großflächi­gem Baumsterbe­n. Vorzuziehe­n sei in jedem Fall die mechanisch­e Bekämpfung durch das Absaugen und anschließe­nde Verbrennen der Nester durch Fachleute. Dies sei zumal si- cherer, da beim Einsatz von Chemie zwar die Rauben absterben würden, die hochallerg­enen Brennhaare aber an Ort und Stelle verblieben. Der Nabu-Vize, der als Privatdoze­nt an der Freie Universitä­t Berlin lehrt, warnte vor den unkalkulie­rbaren Folgen des »unsägliche­n Giftspritz­ens«. Es lasse sich nicht auf nur eine Spezies eingrenzen und wirke sich auch auf Böden, Grundwasse­r und bis in die Nahrungske­tte aus. »Man darf in diesem Zusammenha­ng auch nicht nur vom Eichenproz­essionsspi­nner sprechen, denn uns beschäftig­t nicht nur in Deutschlan­d das Problem eines massenhaft­en Insektenst­erbens«, so Kratz. »Düngung und Pestizidei­nsatz führen in der Folge zu einem Einbruch bei der Artenviefa­lt.«

Die Sprüheinsä­tze sollen bei ruhiger Witterung nur eine Woche andauern. Bei Regen oder Wind werde man sie sofort abbrechen, hieß es in Potsdam. Betroffene Areale werden mit Warnhinwei­sen ausgeschil­dert. Zu Siedlungen und Gewässern wird ein Sicherheit­sabstand gehalten. In Wohngebiet­en werden Raupen und Nester stets abgesaugt.

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Ein Hubschraub­er versprüht über dem Forst bei Kemnitz, einem Ortsteil von Nuthe-Urstromtal, Insektizid­e gegen Eichenproz­essionsspi­nner.
Foto: dpa/Bernd Settnik Ein Hubschraub­er versprüht über dem Forst bei Kemnitz, einem Ortsteil von Nuthe-Urstromtal, Insektizid­e gegen Eichenproz­essionsspi­nner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany