Von der Staatssicherheit in die Polizei
Historiker Burghard Ciesla untersuchte für das Innenministerium die Personalüberprüfungen von 1991 bis 1999
In der DDR arbeiteten mehr Menschen für das Ministerium für Staatssicherheit als für die Volkspolizei. Ein Buch erzählt davon. Zwei Uniformwechsel innerhalb eines Jahres. 1990 gingen 220 hauptamtliche Mitarbeiter des in Auflösung begriffenen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) erst zur Volkspolizei in den Bezirken Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder), dann wurden sie in Brandenburgs Landespolizei übernommen.
Wie fühlte sich das an, als der Klassenfeind zum Vorgesetzten wurde? Wie groß war die Furcht, von der Vergangenheit eingeholt zu werden, die Arbeit zu verlieren. Was bewog Polizisten von heute einst dazu, beim MfS anzufangen? Was haben sie dort genau getan und gelassen?
Aber alle diese Fragen beantwortet der Historiker Burghard Ciesla leider allenfalls unbefriedigend, im Grunde überhaupt nicht. Zwar hat er das Schicksal ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, die es zur Polizei verschlug, im Auftrag des brandenburgischen Innenministeriums mehr als zwei Jahre lang streng wissenschaftlich untersucht und anonymisierte Personalakten ausgewertet, außerdem zahlreiche Gespräche geführt. Er schildert aber keine Schicksale, was doch anschaulich und lesenswert wä- re. Das sei nicht der Auftrag des Innenministeriums gewesen, rechtfertigt er sich – und ergeht sich im Nacherzählen von Verwaltungsabläufen. Das ist leider einfach nur langweilig.
Auch wenn viele Gesprächspartner aus Angst ihren Namen nicht nennen wollten, hätte es doch möglich sein müssen, wenigstens ein wenig konkreter zu werden. Das kann Ciesla besser, viel besser. Das hat er in anderen Büchern wie etwa »Jagd und Macht« eindrücklich bewiesen.
Das Innenministerium wollte, dass die Personalüberprüfungen in den Jahren 1991 bis 1999 unter die Lupe genommen werden. Die Stasi-Unter- lagenbehörde hatte bei 85 Prozent der Polizisten nichts gefunden, weder eine hauptamtliche Tätigkeit, noch eine als Inoffizieller Mitarbeiter (IM). Dass bei mehrmaligen Einzelfallprüfungen einige Polizisten gehen mussten, weil sie ihrem Dienstherren in Fragebögen etwas verschwiegen hatten, was ihnen als arglistige Täuschung ausgelegt wurde, während andere, oft jüngere belastete Kollegen bleiben durften, das ist nicht gerecht gewesen. Das Verfahren darf dennoch rechtsstaatlich genannt werden, hat Ciesla herausgefunden.
Mit Billigung der Runden Tische wurden 1990 vor allem Techniker, Personenschützer, Sprengstoffexperten und Erkennungsdienstler vom MfS in die Volkspolizei übernommen, weil sie dort damals gebraucht wurden. Bitter nötig wären wohl auch die Geheimdienstler gewesen, die sich mit der Neonaziszene auskannten, die sich schon in den 1980er Jahren entwickelte und dann in den 1990er Jahren ein riesiges Problem wurde.
Besser, plastischer beschrieben als bei Ciesla sind die Schwierigkeiten des Umbruchs bei der Polizei in dem Buch »Generation Hoyerswerda«, ebenfalls im be.bra-Verlag erschienen. Es ist eigentlich ein Enthüllungsbuch über die Verbindungen des NSU-Terrortrios nach Brandenburg. Behandelt wird in diesem Zusammenhang aber auch das viel zu zögerliche Vorgehen verunsicherter ehemaliger Volkspolizisten gegen rechtsextremistische Gewaltorgien gegen Linke und Ausländer Anfang der 1990er Jahre.
Die ehemalige Eberswalder Polizeipräsidentin Uta Leichsenring berichtet davon in einem Interview, schildert einen krassen Fall, wo Polizisten selbst zu Tätern wurden, sich vietnamesische Zigarettenhändler auf die Wache holten und dort quälten. Burghard Ciesla: »Arglistige Täuschung«, be.bra, 224 Seiten, 24 Euro; Heike Kleffner und Anna Spangenberg (Hrsg.): »Generation Hoyerswerda«, be.bra, 301 Seiten, 20 Euro