Ein Jahressalär lag in einer Felsspalte
Kletterer entdecken im Elbsandsteingebirge einen spektakulären Münzschatz aus dem frühen 19. Jahrhundert
Zwei Bergsteiger haben in der Sächsischen Schweiz einen Schatz entdeckt. Sie stießen auf ein Depot mit 1000 Münzen, die kurz nach den Befreiungskriegen versteckt wurden. Wer im Jahr 1817 im Königreich Sachsen einkaufen wollte, war offenbar gut beraten, wenn er ein größeres Sortiment Münzen zur Auswahl hatte. Taler, Doppelgroschen, Heller und Pfennige aus Preußen; Gulden und Kreuzer aus Bayern und dem Erzbistum Salzburg, dazu sächsisches Bargeld – all das waren »über einen langen Zeitraum gültige Zahlungsmittel«, sagt die Landesarchäologin Regina Smolnik. Wer allerdings zu viele Münzen in seinem Besitz hatte, lebte wohl auch unruhig. So kurz nach den Befreiungskriegen war Sachsen »noch nicht wieder zur Ruhe gekommen«, sagt Smolnik. Vielleicht erklärt das einen sensationellen Fund, den Bergsteiger vor gut einer Woche im Elbsandsteingebirge machten. In einer Felsspalte entdeckten sie ein Depot mit rund 1000 Münzen – ein Vermögen, das sein Besitzer offenbar sicher verbergen wollte, später aber selbst nicht mehr aus dem Versteck holen konnte. Erst 199 Jahre später – und kurioserweise in einer Zeit, da gerade über das Ende des Bargelds debattiert wird – wurden die Münzen nun wieder entdeckt.
Im Archäologischen Landesamt des Freistaats ist man elektrisiert. Zwar sei es »kein Staatsschatz«, der da aufgetaucht sei, sagt Smolnik. Der Fund habe aber dennoch eine »beachtliche Größe« und gehöre zu den umfangreichsten seiner Art in Sachsen. Bislang wurden rund 300 Münzen genauer untersucht. Die älteste sei ein sächsischer Doppelgroschen aus dem Jahr 1693, sagt Wilhelm Hollstein aus dem Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden; die jüngsten sind zwei preußische 1/6 Taler aus dem Jahr 1817. Da sie noch »fast prägefrisch« seien, gehe man davon aus, dass der Schatz nicht lange danach im Fels versteckt wurde. Dort lag er seither offenbar unbeachtet. Korrosionsspuren deuteten lediglich darauf hin, dass die Münzen einmal verrutscht seien, sagt Hollstein.
Die Fachleute nehmen an, dass dafür die Verwitterung der Beutel verantwortlich war, in denen die Geldstücke ursprünglich wohl lagen. Das deuteten »organische Anhaftungen« aus Wollfilz und einem leinenartigen Gewebe an, sagt Smolnik. Diese und weitere Indizien könnten aber erst nach weiteren Untersuchungen »zu einer Theorie zusammen gefügt werden«, fügt die Chefarchäologin hinzu.
Der bemerkenswerte Fundort und die rätselhafte Herkunft des Schatzes machen dessen eigentlichen Reiz aus; die Münzen an sich seien dagegen allesamt bekannt, sagt Hollstein. Auch der materielle Wert des Fundes dürf- te keine sensationellen Dimensionen erreichen. In der Zeit, in der die Münzen angehäuft wurden, handelte es sich indes um eine erkleckliche Summe. Hollstein zufolge entsprechen allein die bereits untersuchten 300 Geldstücke einem Betrag von 40 Talern. Dafür musste damals etwa ein Zimmermann 100 Tage arbeiten. Der gesamte Schatz dürfte damit leicht einem Jahressalär entsprochen haben.
Die beiden Finder erhalten für ihre Entdeckung eine nicht annähernd so hohe Summe; eine »Belohnung« stehe ihnen laut Gesetz aber zu, sagt Smolnik. Im Landesamt weist man freilich auch darauf hin, dass solche »herrenlosen Funde« stets Eigentum des Freistaats sind. Die Bergsteiger seien diesbezüglich »sehr verständig« gewesen, sagt Ingo Kraft, der als Bereichsleiter Ostsachsen im Landesamt umgehend zum Fundort eilte, nachdem die Finder die Polizei alarmiert und diese wiederum die Behörde informiert hatte. Alle Beteiligten hätten damit »sehr umsichtig« gehandelt, lobt Kraft. Er gibt zu verstehen, dass die Kletterer froh gewesen seien, als sie endlich wieder ihrem eigentlichen Hobby frönen konnten.
Auf ähnliche Umsicht hoffen die Behörden in Sachsen nicht bei allen. Sowohl das Landesamt als auch die Verwaltung des Nationalparks Sächsische Schweiz fürchten, dass Hobbyschatzsucher durch die Nachricht vom Fund angestachelt werden könnten und nun mit Metallsonden in die Felsen und geschützten Biotope kraxeln. Um das zu unterbinden, wird der genaue Ort des Fundes geheim gehalten; er liege »zwischen Bad Schandau und Sebnitz«, sagt Kraft lediglich. Und Hanspeter Mayr, Sprecher der Nationalparkverwaltung, erinnert eindringlich daran, dass im Nationalpark das Verlassen der ausgeschilderten Wege verboten ist und bei Verstößen ein Bußgeldern droht. Historische Doppelgroschen – so viel ist sicher – werden dabei als Zahlungsmittel nicht akzeptiert.
Nach 199 Jahren im Fels gehört der Schatz dem Freistaat. Die Finder erhalten immerhin eine Belohnung.