Entscheidung im Kerzenschein
Bei den Händel-Festspielen in Göttingen glänzen Dirigent Laurence Cummings und Regisseurin Sigrid T’Hooft mit »Imeneo«
Eigentlich haben es die HändelFans besonders gut. Es gibt, mit Karlsruhe beginnend, dann in Göttingen und schließlich in Halle, jährlich drei etablierte Festspiele, die sich der Musik des Meisters widmen. Sie sind längst international ausgerichtet. Dass der Hallenser Georg Friedrich Händel als Erwachsener zum Briten wurde, hat vor allem auf der Insel Spuren hinterlassen.
Seit die Göttinger einst die Händel-Renaissance angestoßen haben, hat sich viel getan. Heute ist Händel, auch dank des Booms der Barockmusik in den letzten Jahrzehnten, nicht nur der präsenteste Barockmeister im Repertoire, sondern auch der Vorreiter für die Wiederentdeckung etlicher seiner Zeitgenossen. Bei den Orchestern, die sich auf Barockmusik einlassen, ist eine historische Ausrüstung und Spielweise längst Standard – in Göttingen seit nunmehr zehn Jahren mit einem Festspielorchester, zu dem sich (wie beim Bayreuther Festspielorchester) Musiker aus Spezialensembles aus aller Herren Länder zusammenfinden, um ihrer Vorliebe zu frönen.
Unter Festspielchef Lawrence Cummings ist so auch Händels vorletzte Oper »Imeneo«, mit der er 1740 versucht hatte, das Ende der Epoche der italienischen Opera seria hinauszuzögern, ein Fest für die Ohren – mit vitalen Streichern und Sinn für die eigene Klangsprache der Arien (und in diesem Falle auch betörender Duette), mit dem Ausbruch einer Bravour-Attacke und den genau dosierten Balletteinlagen und bekräftigenden Chorpassagen.
In Göttingen hat man das dazu passende Ensemble beisammen, um die Geschichte der Frau, die sich entscheiden muss, welchem von zwei Bewerbern sie ihr Ja-Wort gibt, mit vokalem Glanz zu beglaubigen. Die schöne Rosmene (Anna Dennis) hat dabei die (scheinbar) freie Wahl zwischen dem Bariton Imeneo (William Berger) und dem (heutzutage natürlich mit einem Counter besetzten) Tirinto (James Laing).
Der Titelheld der Oper hat den deutlich höheren Stand und sie obendrein aus der Hand von Piraten gerettet. Dem anderen aber galt schon vor der Entführung und Befreiung ihre Liebe. Doch der ist nur Schäfer, und Imeneo fordert ihre Hand als Belohnung ein. Händel bleibt mit dem Ausgang der Geschichte realistisch. Rosmene nimmt nach einem hinreißenden Abschiedsduett mit Tirinto den Titelhelden. Dafür kommt der musikalisch besser weg. Das ist mal eine Dreiecksgeschichte, bei der die Haupt- und Staatsaktion wirklich nur von ferne winkt.
In Göttingen sieht das alles nach einem schön gewebten Gobelin im Stil der Entstehungszeit aus. Regie hat nämlich Sigrid T’Hooft geführt. Die Vorliebe der Belgierin für die barocke Ästhetik geht so weit, dass sie auch beim Licht die Zeit zurückdreht und auf die Wirkung von echtem Kerzenlicht setzt. Diese Art von historischem Gewand setzt sich auch bei den Kostümen fort. Bei ihr lassen allerdings der hochgestellte Imeneo und der Schäfer beim gleichen Schneider arbeiten, was deren Wettbewerb gleichberechtigter aussehen lässt, als er sein kann. T’Hoofts Ästhetik hat in ihrer Geschlossenheit und luxuriösen Exklusivität leichtes Spiel. Auch bei den Zuschauern, die sonst szenisches Hinterfragen vorziehen mögen. Bei ihr flackern die Freude und die leichte Hand bei der eleganten Geste so durch wie das Kerzenlicht in der gemalten Kulisse. Nächste Vorstellungen am 10., 12. bis 14. und am 16. Mai