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Entscheidu­ng im Kerzensche­in

Bei den Händel-Festspiele­n in Göttingen glänzen Dirigent Laurence Cummings und Regisseuri­n Sigrid T’Hooft mit »Imeneo«

- Von Roberto Becker

Eigentlich haben es die HändelFans besonders gut. Es gibt, mit Karlsruhe beginnend, dann in Göttingen und schließlic­h in Halle, jährlich drei etablierte Festspiele, die sich der Musik des Meisters widmen. Sie sind längst internatio­nal ausgericht­et. Dass der Hallenser Georg Friedrich Händel als Erwachsene­r zum Briten wurde, hat vor allem auf der Insel Spuren hinterlass­en.

Seit die Göttinger einst die Händel-Renaissanc­e angestoßen haben, hat sich viel getan. Heute ist Händel, auch dank des Booms der Barockmusi­k in den letzten Jahrzehnte­n, nicht nur der präsentest­e Barockmeis­ter im Repertoire, sondern auch der Vorreiter für die Wiederentd­eckung etlicher seiner Zeitgenoss­en. Bei den Orchestern, die sich auf Barockmusi­k einlassen, ist eine historisch­e Ausrüstung und Spielweise längst Standard – in Göttingen seit nunmehr zehn Jahren mit einem Festspielo­rchester, zu dem sich (wie beim Bayreuther Festspielo­rchester) Musiker aus Spezialens­embles aus aller Herren Länder zusammenfi­nden, um ihrer Vorliebe zu frönen.

Unter Festspielc­hef Lawrence Cummings ist so auch Händels vorletzte Oper »Imeneo«, mit der er 1740 versucht hatte, das Ende der Epoche der italienisc­hen Opera seria hinauszuzö­gern, ein Fest für die Ohren – mit vitalen Streichern und Sinn für die eigene Klangsprac­he der Arien (und in diesem Falle auch betörender Duette), mit dem Ausbruch einer Bravour-Attacke und den genau dosierten Ballettein­lagen und bekräftige­nden Chorpassag­en.

In Göttingen hat man das dazu passende Ensemble beisammen, um die Geschichte der Frau, die sich entscheide­n muss, welchem von zwei Bewerbern sie ihr Ja-Wort gibt, mit vokalem Glanz zu beglaubige­n. Die schöne Rosmene (Anna Dennis) hat dabei die (scheinbar) freie Wahl zwischen dem Bariton Imeneo (William Berger) und dem (heutzutage natürlich mit einem Counter besetzten) Tirinto (James Laing).

Der Titelheld der Oper hat den deutlich höheren Stand und sie obendrein aus der Hand von Piraten gerettet. Dem anderen aber galt schon vor der Entführung und Befreiung ihre Liebe. Doch der ist nur Schäfer, und Imeneo fordert ihre Hand als Belohnung ein. Händel bleibt mit dem Ausgang der Geschichte realistisc­h. Rosmene nimmt nach einem hinreißend­en Abschiedsd­uett mit Tirinto den Titelhelde­n. Dafür kommt der musikalisc­h besser weg. Das ist mal eine Dreiecksge­schichte, bei der die Haupt- und Staatsakti­on wirklich nur von ferne winkt.

In Göttingen sieht das alles nach einem schön gewebten Gobelin im Stil der Entstehung­szeit aus. Regie hat nämlich Sigrid T’Hooft geführt. Die Vorliebe der Belgierin für die barocke Ästhetik geht so weit, dass sie auch beim Licht die Zeit zurückdreh­t und auf die Wirkung von echtem Kerzenlich­t setzt. Diese Art von historisch­em Gewand setzt sich auch bei den Kostümen fort. Bei ihr lassen allerdings der hochgestel­lte Imeneo und der Schäfer beim gleichen Schneider arbeiten, was deren Wettbewerb gleichbere­chtigter aussehen lässt, als er sein kann. T’Hoofts Ästhetik hat in ihrer Geschlosse­nheit und luxuriösen Exklusivit­ät leichtes Spiel. Auch bei den Zuschauern, die sonst szenisches Hinterfrag­en vorziehen mögen. Bei ihr flackern die Freude und die leichte Hand bei der eleganten Geste so durch wie das Kerzenlich­t in der gemalten Kulisse. Nächste Vorstellun­gen am 10., 12. bis 14. und am 16. Mai

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Foto: T. da Silva Imeneo (William Berger)

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