Kann Zensur nicht auch manches befördern?
Zu »Die Macht des gedruckten Wortes«, 23./24.5., S.23
Mit Sympathie lese ich die Artikel von Christian Baron. Das betrifft im Prinzip auch den oben genannten Text. Dennoch möchte ich dazu ein paar Ergänzungen zur Abrundung des Bildes machen und das recht absolute Urteil vom unterschiedlichen Scheitern der ost- und westdeutschen Literatur am Anspruch eines Neuanfanges in Frage stellen. Zumal der relativ junge Autor sich allein auf Christian Adams Buch: »Der Traum vom Jahre Null« stützen und natürlich nicht aus eigenen Erfahrungen schöpfen konnte. Deshalb gestatte ich mir, ein paar Erinnerungen einzubringen, die das Fazit vielleicht etwas ausgewogener machen könnten.
Angesichts jener Zeit unermesslicher materieller und ideeller Verwüstungen, beklemmender historischer deutscher Schuld dafür und verbreiteter Ratlosigkeit ist Adams und Barons zentraler These sicher zuzustimmen: »Die sowjetischen Besatzer übernahmen nach dem Krieg das bestehende Zensursystem unter umgekehrten inhaltlichen Vorzeichen: Die französischen, britischen und US-amerikanischen Besatzer traten wiederum das verlegerische Erbe der Nazis an.«
Weiter zu bedenken wäre allerdings mindestens zweierlei: War eine Stunde Null damals wirklich realistisch oder erstrebenswert? Und kann Zensur, die manches behindert, anderes nicht auch befördern? In Ostdeutschland ermöglichte sie, was nicht vergessen werden sollte, den Blick in eine neue Welt in Gestalt starker Werke der russischen bzw. sowjetischen Literatur. So konnten einige von ihnen eingedenk intensiver geistiger Suche für immer einen Platz im Gedächtnis mancher von uns finden. Zum Beispiel erhellte Maxim Gorkis berührende autobiografische Trilogie die unabweisbar gewordene Sehnsucht nach einer menschlicheren Ordnung. Michail Scholochow führte uns mit erschütternder Überzeugungskraft vor Augen, was das für Menschen waren, die »für ihre Heimat kämpften«. Und Tschingis Aitmatow schließlich, der Kirgise, überraschte uns mit erfrischend natürlicher Emotionalität und neuartiger künstlerischer Intensität in seiner »Djamila«, die ihren Anspruch auf Liebe und damit Menschenwürde auch gegen zählebige patriarchale, ja Scharia-Konventio- nen behauptet.
Kurz, wir gewannen Weggefährten auf einem langen, von Hoffnungen wie Enttäuschungen geprägten Weg. Indem wir zueinander »über sieben Brücken« gingen, entdeckten wir, dass einst Fremde Verständnis, ja Vertrauen, verdienen. Aus solchen komplexen kulturellen Zusammenhängen dürften sicher auch Schriftsteller wie Christa Wolf oder Brigitte Reimann, Hermann Kant oder Christoph Hein u. a. Anregung wie Bestärkung für ihr Schaffen erfahren haben. Möge all dies ermutigen, gegenwärtig zunehmenden Anzeichen von Russophobie entschiedener aus besserem Wissen zu widersprechen. schaftswahl – Hillary Clinton und Donald Trump – beide kritisch zu TTIP geäußert haben, meint Präsident Obama wohl, ein TTIP-Abkommen sei ab 2017 nicht mehr möglich. Angesichts der Unterschiede zwischen den USA und der EU sind jedoch umsichtige und gründliche Verhandlungen notwendig. Ein überhastetes Abkommen noch in diesem Jahr, wie es von Präsident Obama bei seinem Besuch in Hannover propagiert wurde, ist daher keine gute Idee.