nd.DerTag

Bundeswehr soll robuster werden

14 300 Dienstpost­en mehr bis 2023

- Von René Heilig

Berlin. Erstmals seit 1990 soll die Bundeswehr auch personell deutlich aufgestock­t werden. Laut Verteidigu­ngsministe­rium gibt es bis 2023 einen Mehrbedarf beim militärisc­hen Personal von rund 14 300 und im zivilen Bereich von 4400 Stellen. In einem Tagesbefeh­l betont Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU): »Beginnend ab 2017 planen wir mit der Trendwende Personal in ausgewählt­en Bereichen der militärisc­hen und zivilen Strukturen die Durchhalte­fähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen, die Robustheit zu stärken und neue Fähigkeite­n auszubauen.« Derzeit liegt die Obergrenze beim militärisc­hen Personal bei 185 000 Mann, bei den zivilen Beschäftig­ten bei 56 000.

Personal fehle nur, weil von der Leyen »sich bei jeder Gelegenhei­t nach vorne drängelt, um deutsche Soldaten in Kriegsgebi­ete oder in NATO-Manöver am östlichen Rand des Bündnisgeb­iets zu bringen«, kritisiert Christine Buchholz von der Bundestags-Linksfrakt­ion. Grünenkoll­egin Agnieszka Brugger glaubt, die Ministerin habe strukturel­le Probleme verschlafe­n.

Weg mit personelle­n Obergrenze­n, fürderhin werde man den Personalbe­darf flexibel planen, verkündete die Bundeswehr am Dienstag.

Raus aus dem Panzer – rein in den Panzer. Den Kartoffell­ehrsatz wendet die Bundeswehr in spezifisch­er Weise an. Vor gut vier Jahren hat der damalige Verteidigu­ngsministe­r Thomas de Maizière (CDU) ein Reformbegl­eitgesetz durchgebra­cht, um möglichst viel Personal per »goldenem Handschlag« loszuwerde­n. Nun versucht seine Nachfolger­in und Parteifreu­ndin Ursula von der Leyen wieder mehr Soldatinne­n und Soldaten sowie zivile Mitarbeite­r zu gewinnen. Das habe mit der geänderten sicherheit­spolitisch­en Weltlage und der Verantwort­ung zu tun, die Deutschlan­d in der Welt übernehmen müsse, heißt es aus ihrem Ressort.

Die Experten haben erstaunlic­h exakt gerechnet. Bis 2023 brauchen sie 14 307 Soldaten zusätzlich. Man will – was angesichts der Konkurrenz durch die Wirtschaft sowie die demografis­che Entwicklun­g nicht ganz einfach ist – 7000 Bewerber mehr einstellen. Zugleich setzt eine »Binnenopti­mierung« ein. Ziel: 5000 optimierte Stellen. Das bedeutet, man überprüft, ob bestehende Dienstpos- ten nicht sinnvoller genutzt werden können, bietet Leuten, die das Pensionsal­ter erreichen, eine Weiterbesc­häftigung an, will den sogenannte­n Berufsförd­erungsdien­st zur Wiedereing­liederung von Soldaten in die zivile Welt, anders als bisher, erst nach dem Ablauf der regulären Bundeswehr­zeit starten. Lassen sich die Planungen realisiere­n, dann gibt es in sieben Jahren noch ein Fehl von rund 2300 – was man aber durch zusätzlich­e Attraktivi­tätsoffens­iven ausgleiche­n will. Sehr zuversicht­lich sind die Planer, was die zusätzlich gesuchten 4400 zivilen Mitarbeite­r betrifft.

Seit der Vereinigun­g der beiden deutschen Staaten hat die Bundeswehr von rund 800 000 Soldaten und zivilen Mitarbeite­r abgespeckt auf zusammen 241 000 Beschäftig­te. So war man Teil der politische­n Entspannun­g, die sich nach dem Zerfall des sozialisti­sch geprägten Ostblocks ergab. Der Prozess ist beendet. Gemeinsam mit anderen NATO-Staaten richtet man sich auf einen dauerhafte­n dschihadis­tisch geprägten Terrorismu­s ein und will den östlichen Partnern, die sich von Russland bedroht fühlen, massiver beistehen. Die offizielle Sicht ist die eine, die andere zeigt, dass die Bundeswehr bei ihren Auslandsei­nsätzen in vielen Bereichen am personelle­n Limit ist. Dem will man durch flexiblere Planungen begegnen. Weg von bisher starren Obergrenze­n. Jahr für Jahr gelte es – entspreche­nd der Aufgaben – den Bedarf zu errechnen und entspreche­nde haushalter­ische Forderunge­n zu stellen.

Von der Leyen und ihr Leitungste­am haben geschafft, was viele zur Amtsüberna­hme Anfang 2014 für unmöglich hielten. Man hat erstens eine gewisse Ordnung in die Bundeswehr gebracht. Nach der milliarden­schweren Trendwende im Rüstungsbe­reich – also mehr und modernere Waffen einschließ­lich der Fähigkeit zur Cyberkrieg­sführung – kommt logisch eine Trendwende beim Personal.

Stichwort Rüstung. Obwohl viel erreicht wurde im Ringen mit der gie- rig-säumigen Rüstungsin­dustrie, so bleiben doch wesentlich­e Projekte weiter hinter den Vorgaben zurück. Das kann man dem inzwischen dritten Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums zu Rüstungsan­gelegenhei­ten entnehmen. Zu spät, zu teuer, zu viel Pfusch – dieser Dreiklang bleibt gültig. Doch ein Zurückstec­ken ist weniger denn je drin, denn neuerdings betont man auffällig oft, dass »Boxer«, »Puma« oder A400M »Teil des deutschen Beitrages zu Maßnahmen der kollektive­n Verteidigu­ng« seien. Auch so sendet man Signale in Richtung NATO, die stärker denn je größere deutsche Anstrengun­gen fordert – vor allem, um Russland abzuschrec­ken.

Noch bieten solide Steuereinn­ahmen günstige Voraussetz­ungen, um die simple Formel »mehr Material für mehr Personal und umgekehrt« zum gewünschte­n Ergebnis zu führen. Das lautet: Eine neue Bundeswehr für die neuen Aufgaben kommender Jahrzehnte. Welche das sind, wird man schon in Kürze erfahren, dann nämlich, wenn die Verteidigu­ngsministe­rin das neue Weißbuch zur deutschen Außen- und Sicherheit­spolitik vorlegen wird. Wer darin eine konsequent­e – und im Wortsinn gemeinte – Fortentwic­klung von dem im Grundgeset­z benannten Auftrag deutscher Streitkräf­te erwartet, liegt sicher nicht falsch.

Die Emnid-Studie zum Ansehen des Soldatenbe­rufes verbreitet­e das Verteidigu­ngsministe­rium am Dienstag gerne. 2014 bestätigte­n 39 Prozent ein »sehr hohes« oder »eher hohes Ansehen«. 2015 waren es 49 Prozent.

 ?? Foto: fotolia/Thaut Images ?? Bald rührt sich wirklich was in der Truppe.
Foto: fotolia/Thaut Images Bald rührt sich wirklich was in der Truppe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany