Maranhão knickt ein
Interimspräsident nimmt Annullierung zurück
Waldir Maranhão gibt nach, Dilma Rousseff nicht. Der Interimspräsident des Abgeordnetenhauses hat seinen Widerstand gegen das Verfahren zur Entmachtung der Staatschefin aufgegeben. Er habe seine »Entscheidung zurückgenommen«, die Mitte April im Abgeordnetenhaus erfolgte Zustimmung für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff für ungültig zu erklären, teilte Maranhão am Dienstag mit.
Dilma Rousseff hatte davon unabhängig am Montag ihre Position zum wiederholten Male klargestellt: Es existierten keinerlei Beweise, die ein politisches Verfahren auf der Annahme von Fehlverwendung öffentlicher Mittel begründen könnten. »Ich werde weiterkämpfen, um eine illegale Unterbrechung und die Übernahme meines Mandats durch Personen zu verhindern, die nicht die Voraussetzungen haben, um auf demokratischem Weg gewählt zu werden«, sagte sie laut dem südamerikanischen Fernsehsender »teleSUR«. Eine begründete Aussage: Nach Umfragen würde Vizepräsident Michel Temer von der Zentrumspartei PMDP, der Rousseff lauf Verfassung als Interimspräsident folgen würde, bei einer Wahl zwei Prozent der Stimmen erhalten.
Fakt ist: Dilma Rousseff wurde im Oktober 2014 von rund 54 Millionen BrasilianerInnen für eine zweite Amtszeit gewählt. Ihr unterlegener konservativer Herausforderer Aécio Neves wünschte ihr für ihre zweite Amtsperiode viel Erfolg. Er kam auf 51 Millionen Stimmen und 48,4 Prozent, was dem knappsten Wahlergebnis Brasiliens seit Jahrzehnten gleichkam. Die Wünsche von Neves entsprachen ganz sicher nicht dem Wunsch der brasilianischen Rechten, zum Neoliberalismus ohne soziales Antlitz zurückzukehren, wie er bis zur Regierungsübernahme der Arbeiterpartei PT unter Lula 2003 in Brasilien vorherrschte. Der vor allem durch den Rohstoffpreisverfall verursachte Wirtschaftseinbruch gab und gibt der brasilianischen Rechten Munition, um dem Ziel, Rousseff und die PT zu stürzen, näher zu kommen.
Mit der Rücknahme seiner Entscheidung von Montag macht Maranhão von der rechtsnationalen PP den Weg für die Abstimmung im Senat über Rousseff wieder frei. Ohnehin hatte Senatspräsident Renán Calheiros bereits wenige Stunden nach Maranhãos Erklärung angekündigt, dass er dessen »absolut unangebrachte« Anweisung ignorieren und an der für Mittwoch geplanten Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren im Senat festhalten werde.
Stimmt das Oberhaus wie erwartet für ein Amtsenthebungsverfahren, würde Rousseffs Stellvertreter Temer für bis zu 180 Tage die Amtsgeschäfte übernehmen. Am Ende des Verfahrens muss dann der Senat mit zwei Dritteln erneut für Rousseffs Amtsenthebung stimmen, sonst kehrt sie in ihr Amt zurück – aber sicher nicht unbeschadet.
Der Gewerkschaftsdachverband CUT rief für Dienstag zu landesweiten Protesten auf, um der Präsidentin den Rücken zu stärken. Unterstützung kann Rousseff jedenfalls gebrauchen. Sie steht seit Monaten stark unter Druck.