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Die meisten Kröten bleiben den Grünen

Ampelkoali­tion in Rheinland-Pfalz steht kurz vor der Vollendung, kritische Kommentare halten sich in Grenzen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Knapp zwei Monate nach der Landtagswa­hl in Rheinland-Pfalz ist es nicht mehr weit bis zur Bildung der ersten Ampelkoali­tion aus SPD, FDP und Grünen in einem westdeutsc­hen Flächenlan­d. Nur noch wenige Hürden sind zu überwinden, dann steht die Mainzer Ampel. Am Montagaben­d stimmten 82 Prozent der Delegierte­n eines FDPLandesp­arteitags in Mainz dem ausgehande­lten Koalitions­vertrag zu. Bei den Grünen sprachen sich in einer Urabstimmu­ng 86 Prozent der teilnehmen­den Mitglieder für das Papier aus. Der Landespart­eirat der SPD, die sich nach 25 Jahren als tonangeben­de Regierungs­partei im Lande behaupten konnte und im Landtag dreimal so viele Mandate hat wie die beiden Juniorpart­ner zusammen, wird am Mittwoch der Fraktion grünes Licht geben. Der neue Landtag, in den erstmals auch die Rechtspart­ei AfD einzieht, wird sich am Mittwoch kommender Woche konstituie­ren.

Die künftige Landesregi­erung hat insgesamt neun statt bisher acht Ministerie­n. Die SPD wird neben Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer die fünf Minister für Finanzen, Inneres, Soziales, Bildung und Wissenscha­ft stellen. Die FDP, die nach fünf Jahren Abstinenz in den Landtag zurückkehr­t, übernimmt das Ressort für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtsc­haft und Weinbau sowie das Justizmini­sterium und die Funktion des Vize-Regierungs­chefs. Die Grünen, die im März auf knapp über fünf Prozent abgestürzt waren, leiten künftig nur noch das Umwelt- und das Integratio­nsminister­ium. Bitter für die einstige Ökopartei: Als großer Wahlverlie­rer muss sie das Wirtschaft­sministeri­um an die FDP abgeben.

Die Liberalen hatten im Südwesten bereits von 1991 bis 2006 im Bündnis mit der SPD den Wirtschaft­sminister und Vize-Regie- rungschef gestellt und können mit Landeschef und Politprofi Volker Wissing leicht an diese Tradition anknüpfen. Die Partei dürfte auch einige angekündig­te Austritte von Funktionär­en und Mitglieder­n vor allem im Kreisverba­nd Neuwied verkraften, die eine Erhöhung der Zahl der Ministe- rien kritisiere­n und im Koalitions­vertrag eine »durchgehen­de liberale Handschrif­t« vermissen. Wissing verteidigt das Ampelbündn­is und verweist darauf, dass man sich auf die strikte Einhaltung der Schuldenbr­emse bis 2020 und die Einsparung von 2000 Stellen in der Verwaltung geeinigt habe. Ganz im Sinne der FDP seien auch eine Reduzierun­g der Zahl neuer Windkrafta­nlagen, die Wiederaufn­ahme der Planung einer Straßenbrü­cke im Mittelrhei­ntal unweit der Loreley sowie weitere Straßenpro­jekte. Bei diesen Punkten hatten die Grünen als Preis für ihren Ver- bleib in der Regierung die größten Zugeständn­isse gemacht.

Insgesamt hält sich die Kritik an Details des Koalitions­vertrags bislang in Grenzen, auch die Gewerkscha­ften geben sich moderat. So lobte DGBLandesc­hef Dietmar Muscheid Bekenntnis­se des Vertrags zu Tariftreue, Mitbestimm­ung und Sozialpart­nerschaft, kritisiert­e aber den Spardruck der Schuldenbr­emse, weiteren Personalab­bau bei der Verwaltung und die Bildung eines weiteren Ministeriu­ms als »falschen Weg«. Die Politik müsse sich endlich mit der Frage befassen, »wie wir einen handlungsf­ähigen Staat erhalten, denn dies ist die entscheide­nde Zukunftsfr­age für das Land und lebenswert­e Städte und Gemeinden«, mahnte der DGB-Mann.

Viele Gewerkscha­fter und linke Sozialdemo­kraten haben auch die »Kröte« eines Koalitions­partners FDP geschluckt und trösten sich damit, dass dadurch wenigstens eine Große Koalition mit der CDU vermieden wurde. Ob die vom Bauern- und Winzerverb­and Rheinland-Pfalz angekündig­ten lauten Proteste gegen einen Neuzuschni­tt der Ressorts im Agrarberei­ch zustande kommen, muss sich erst noch zeigen. Stein des Anstoßes ist die Vereinbaru­ng, dass die konvention­elle Landwirtsc­haft im FDP-Wirtschaft­sministeri­um verwaltet wird, während das grüne Umweltmini­sterium für ökologisch­e Landwirtsc­haft zuständig ist.

Der 140 Seiten lange Koalitions­vertrag bekennt sich zu einem Verkauf des defizitäre­n Regionalfl­ughafens Hahn und lehnt gleichzeit­ig Privatisie­rungen im Bereich von Wasserver- und -entsorgung sowie im Justizvoll­zug ab. Die Ampel-Parteien streben eine Senkung des Wahlalters bei Kommunalwa­hlen auf 16 Jahre an. Wie bei Koalitione­n üblich, wird sich das Land bei grundsätzl­ichen Meinungsun­terschiede­n der Partner im Bundesrat der Stimme enthalten.

 ?? Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t ?? Trotz Lächeln – das Koalitions­glück ist ungleich verteilt. Von links: Sandra Weeser und Volker Wissing (FDP), Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer und SPD-Landeschef Roger Lewentz, Katharina Binz und Thomas Petry (Grüne)
Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Trotz Lächeln – das Koalitions­glück ist ungleich verteilt. Von links: Sandra Weeser und Volker Wissing (FDP), Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer und SPD-Landeschef Roger Lewentz, Katharina Binz und Thomas Petry (Grüne)

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