Mehr Flüchtlinge in Italien erwartet
Das Vertrauen in eine europäische Migrationslösung schwindet zunehmend
In Italien werden wieder stärkere Flüchtlingsströme erwartet. Die Bevölkerung reagiert inzwischen mit größerem Misstrauen, immer häufiger werden stärkere Grenzkontrollen gefordert. Das Wetter auf Lampedusa zeigt sich freundlich. 23 Grad Lufttemperatur und die Messungen im umliegenden Wasser verzeichnen bereits 18 Grad. Nur in der Wochenmitte werden einige Windböen aufkommen, dann ist ab der zweiten Maihälfte ruhiges und sonniges Wetter mit steigenden Temperaturen zu erwarten.
Mit diesen Aussichten werden auch die Flüchtlinge rechnen, die sich an der libyschen Küste bereit machen, nach Europa überzusetzen. Italiens Politiker erwarten einen neuen Anstieg der Flüchtlingszahlen. Nachdem die Balkanroute geschlossen ist und die Türkei sich zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland entschlossen hat, werden die Migranten aus dem Nahen Osten, aus Afghanistan und vor allem aus dem subsaharischen Afrika wieder den auch bei gutem Wetter gefährlichen Weg über das Mittelmeer nehmen.
Europa hat bereits reagiert und sich abgeschottet. Auch innerhalb Italiens mehren sich die sorgenvollen Stimmen derer, die befürchten, dass das Land mit einer neuen Flüchtlingswelle völlig überfordert wäre. Grenzkontrollen sowie auch Grenzschließungen werden zuneh- mend befürwortet. Gleichzeitig bangen die Politiker um die Zukunft der Europäischen Union.
Mit wachsender Sorge beobachten die Italiener, wie sich der europäische Norden gegen den Zustrom von Flüchtlingen abschottet. Aus Landesgrenzen werden Barrieren, in Österreich, Ungarn, Mazedonien, Bulgarien, zwischen Frankreich und Großbritannien, Deutschland und Dänemark, Mitteleuropa und Skandinavien. Die nördlichen Länder wollen ihren Wohlfahrtsstaat be- halten und sind wenig erpicht darauf, ihn mit den Ärmsten aus dem subsaharischen Afrika, die vor Armut, Not, Krankheit und Kriegen fliehen, zu teilen.
Doch während sich der europäische Norden weiter verschließt, wächst in Italien die Sorge, dass man weitere Tausende Flüchtlinge aufnehmen und versorgen muss. Umfragen zufolge wollen nun auch die Italiener eine Notbremse ziehen und die Grenzen besser überwachen. Nach im April erhobenen Daten der Meinungsforschungsinstitute Pragma und Demos sind vor allem die über 35-Jährigen der Auffassung, man müsse die Grenzen und den Menschenzustrom besser kontrollieren. Zwischen 93 und 96 Prozent liegt diese Rate.
Dabei überwiegt keinesfalls die Angst vor Fremden, denn nur 41 Prozent aller Befragten (und 47 Prozent der Altersgruppe) geben an, dass ihnen Ausländer unheimlich sind. Über die Hälfte spricht sich sogar für eine weitere Aufnahme aus: 51 Prozent aller Befragten und sogar 56 Prozent der über 60-Jährigen. Insgesamt schwindet jedoch das Vertrauen in die gemeinsame Union mit den Nordalpenstaaten. Nur 33 Prozent der Italiener glauben an eine europäische Lösung der aktuellen Probleme, 10 Prozent höher liegt der Anteil bei Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren.
Dass die Lage sich nach den Anschlägen von Paris und Brüssel geändert hat, zeigt auch das Verhalten im täglichen Leben. Deutlich zugenommen hat die Abneigung, öffentliche Plätze und Ansammlungen zu besuchen.
Auf Reisen will die Jugend nicht verzichten – und auch nicht aufs Abwandern. Italien überaltert und muss eine Abwanderungsrate hinnehmen, wie sie seit 1917/18 nicht beobachtet wurde. 2015 erreichte die Auswanderung einen Höhepunkt mit 100 000, nachdem 2013 schon 96 000 Italiener ihrem Land den Rücken gekehrt hatten. Das Gros davon im Alter unter 30 Jahren, Studierte und Ausgebildete, die in Italien keinen Arbeitsplatz finden.
Umfragen zufolge wollen nun auch die Italiener eine Notbremse ziehen und die Grenzen besser überwachen.