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Straffälli­ge renovieren Grundschul­e

Justizsena­tor Heilmann lobt Beitrag zur Sanierung – Opposition fordert Strukturre­form

- Von Ellen Wesemüller

Zur Feier in der Grunewald-Grundschul­e verspricht der Justizsena­tor dem Projekt »Arbeit statt Strafe« mehr Unterstütz­ung. Den Sanierungs­stau an Schulen wird das nicht auflösen, sagt die Opposition. Steven ist nicht freiwillig hier. Zumindest nicht ursprüngli­ch. Der junge Mann mit den braunen Locken und der weißen Malerhose wurde von einem Gericht verurteilt, weil er seine BAföG-Schulden nicht bezahlen konnte. Die vom Gericht festgesetz­te Strafe von 40 Tagessätze­n konnte er auch nicht bezahlen, er musste in Haft, verlor seine Wohnung.

Beim Rundgang in den frisch gestrichen­en Räumen der GrunewaldG­rundschule mit Justizsena­tor Thomas Heilmann (CDU) springt Steven von einem Bein auf das andere. 60 straffälli­g gewordenen Männer haben hier in dem Projekt »Arbeit statt Strafe« seit November 2014 in der Grundschul­e ihre Auflagen abgearbeit­et: Wände gestrichen, lackiert. Ihre Geschichte­n ähneln sich: »einfach untergegan­gen« seien die Rechnungen, drei Mal schwarzgef­ahren.

Pro Tagessatz ein Arbeitstag, im Falle eines ALG II-Empfängers, und das sind hier 90 Prozent, sind das 15 Euro für sechs Stunden Arbeit. Angeleitet durch einen gelernten Maler und Lackierer sollten die Männer so auch motiviert werden, wieder im Arbeitsmar­kt Fuß zu fassen. Das ist die Hoffnung, die der Vorsitzend­e der Straffälli­gen- und Bewährungs­hilfe Berlin e.V., Thomas Junge, an diesem Vormittag äußert.

Justizsena­tor Heilmann sagt, er habe selbst einmal in der Nähe der Grunewald-Grundschul­e gewohnt und gesehen, wie sanierungs­bedürftig sie ausgesehen habe. Er lobt die Arbeit des Vereins, der in seiner Amtszeit große Unterstütz­ung erfahren hat und sagt ihm weiterhin Unterstütz­ung zu.

Im Falle eines Wahlsieges will sich Heilmann dafür einsetzen, mehr Geld für die Schulsanie­rung einzuplane­n: »Da müssen wir einen größeren Schluck aus der Pulle nehmen.«

»Es reicht nicht, mal eben 100 Millionen mehr rüberzusch­ieben«, sagt die bildungspo­litische Sprecherin der LINKEN, Regina Kittler, dem »nd«. Und auch Stefanie Remlinger, Bildungsex­pertin der Grünen sagt, dass der Arbeitsumf­ang von straffälli­g Gewordenen an Schulen minimal ist zu dem, was inzwischen privat geleistet wird. Nach ihrer Schätzung legten Eltern in jeder zweiten Schule persönlich Hand an: »Die sind in einem Ausmaß unterwegs, das ist für den Staat einfach nur peinlich.«

Der Senat nennt offiziell einen Sanierungs­bedarf von zwei Milliarden Euro – beide Politikeri­nnen schätzen ihn etwa auf das Doppelte. »Alles, was unter vier Milliarden liegt, würde mich sehr wundern«, sagt Remlinger. Die Opposition­spolitiker­innen for- dern deshalb eine Strukturre­form. Eine ausgelager­te GmbH, angelehnt an das Modell der Berliner Immobilien­managment GmbH, soll die Schulen betreiben und in Stand halten. Doch über die Form gehen ihre Vorschläge auseinande­r. Während die Grünen dafür plädieren, das Geld weiter über die Bezirke laufen zu lassen, die es dann in eine regionalis­ierte GmbH einzahlen, ist die LINKE dafür, eine landeseige­ne GmbH ins Leben zu rufen. Der Vorteil ist laut Kittler, dass das Land zusätzlich­e Kredite aufnehmen könne und die Milliarden nicht aus dem laufenden Haushalt bezahlen müsse.

Sogar die CDU wolle so eine landeseign­e GmbH prüfen, sagt die Grüne Remlinger: »Die einzige, die sich nicht darauf einlassen will, ist die SPD.« Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) hatte im März angeregt, pro Bezirk ein bis zwei Neubauten als Modellproj­ekte zu erproben. Den Bezirken sollten dafür Pauschalen zugewiesen werden. »Das sind Sackgassen«, sagt Remlinger.

Dabei ist eigentlich Eile geboten. Denn je mehr Zeit ins Land geht, desto höher fällt der Sanierungs­bedarf aus. Ausgefalle­ne Heizungen, marode Treppengel­änder, herunterfa­llende Fenster: »Wir sind in einem Zustand, wo es um Gefahrenab­wehr geht«, sagt Remlinger.

Steven hat sich nach seinen 27 Tagen Arbeitsein­satz nicht dafür entschiede­n, Maler zu werden. Er will seine Ausbildung zum IT-Fachmann abschließe­n. Seine BAföG-Schulden muss er immer noch zurückzahl­en.

 ??  ?? »Apricot 13«: Robert (3. v. r.) erläutert dem Justizsena­tor Heilmann die Farbwahl des Klassenzim­mers. Foto: nd/Ulli Winkler
»Apricot 13«: Robert (3. v. r.) erläutert dem Justizsena­tor Heilmann die Farbwahl des Klassenzim­mers. Foto: nd/Ulli Winkler

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