nd.DerTag

Sanierung mit Schwarzfah­rern

- Nicolas Šustr über Scheinlösu­ngen für selbstgema­chte Probleme

»Schwitzen statt sitzen«, mit diesem flotten Spruch versucht die Justiz, aus dem sehr verkorkste­n Konzept der Ersatzhaft noch etwas Sinnvolles zu machen. Ersatzhaft wird immer dann angeordnet, wenn Menschen die Geldstrafe, zu der sie verurteilt wurden, nicht bezahlen können. Etwa 110 Euro kostet jeder Hafttag die Justiz, bei einem ALG IIEmpfänge­r entspräche das einer Geldstrafe von 15 Euro, so hoch liegt der Tagessatz, der sich nach dem monatliche­n Einkommen richtet. Ein schlechtes Geschäft für beide Seiten also, Staat und Gesetzesbr­echer. Auf den ersten Blick scheint da das von Justizsena­tor Thomas Heilmann (CDU) stolz präsentier­te Konzept, Betroffene lieber Schulen renovieren zu lassen, wie eine tolle Idee.

Doch eigentlich zeigt es nur ein doppeltes Staatsvers­agen: Einerseits die Unfähigkei­t, angemessen­e Sanktionen für Vergehen wie Schwarzfah­ren zu finden – Gefängnish­aft zählt jedenfalls nicht dazu. Anderersei­ts den bejammerns­werten Zustand der hauptstädt­ischen Schulen, der seit Jahren bekannt ist, bisher aber eher mit halber Kraft angegangen wurde. Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass Schulämter auf die quasi kostenlose Arbeit von Menschen angewiesen sind, die ihr Leben nicht im Griff haben.

Die Opposition, seien es Grüne, LINKE oder Piraten, hat für beide Punkte Ideen und Konzepte vorgelegt. Fahrschein­loser Nahverkehr und die Herausnahm­e des Schwarzfah­rens aus dem Strafrecht gehören dazu. Vielleicht ist da nicht alles zu Ende gedacht, aber es gibt wenigstens ein Bewusstsei­n dafür, was schief läuft. Genauso wie bei den Schulen, derer sich Senat und Bezirke konzertier­t und systematis­ch annehmen müssten. Berlin braucht Konzepte statt Machterhal­t.

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