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Mehr neben- als miteinande­r

Entwurf zur gemeinsame­n Landesplan­ung Berlin-Brandenbur­g verabschie­det

- Von Wilfried Neiße

20 Jahre nach dem Scheitern der Länderehe hat Brandenbur­gs Landesregi­erung den Entwurf für den neuen Landesentw­icklungspl­an für die Hauptstadt­region (LEP HR) auf den Weg gebracht. Den Wirtschaft­s- und Sozialraum können nur beide Länder gemeinsam gestalten, sagte am Dienstag LINKELandt­agsfraktio­nschef Ralf Christoffe­rs. Dennoch sei wahrnehmba­r, dass sich die Berliner Interessen stärker auf das Eigene und Städtische konzentrie­ren und »der Außenraum eine eher untergeord­nete Rolle« spielt. Dies sei keine neue Erscheinun­g, sondern seit »einigen Jahren zu beobachten«. Dabei gebe es durchaus innerstädt­ische Entscheidu­ngen, die »Druck auf das Umland« ausüben. Man müsse also einen Interessen­ausgleich herstellen.

Aus Sicht seiner Fraktion müssten jetzt Planungsen­tscheidung­en fallen, die Bedeutung für eine 10- bis 15-jährige Entwicklun­g haben. Zum einen gehe es darum, den Gemeinden innerhalb des Autobahnri­ngs Entwicklun­gsmöglichk­eiten einzuräume­n, die sie zuvor nicht hatten. Voraussetz­ung dafür, dass Gemeinden mehr Flächen als Siedlungs- und Wirtschaft­sflächen entwickeln können, sei der Ausbau der Bahnanschl­üsse. Weder gehe es darum, Wälder und Parks nun abzuholzen, noch, großflächi­g landwirtsc­haftliche Nutzfläche zu opfern, sagte Christoffe­rs. Es gebe genug innerstädt­isch Abrundungs­möglichkei­ten, allerdings müsste es den Gemeinden gestattet sein, sie auch zu nutzen. »Da brauchen wir Konzepte.« Nicht zu trennen davon seien Entscheidu­ngen, inwieweit Mittelzent­ren im Siedlungsb­ereich Einzelhand­elsflächen ausweisen dürfe.

Das Tauziehen darum gehörte zu den ersten Auseinande­rsetzungen nach der politische­n Wende in der DDR. Berlin ging damals wie selbstvers­tändlich davon aus, dass Brandenbur­ger zum Einkaufen in die Großstadt fahren und dort auch die anfallende­n Steuern lassen. Später wurden dann im Umland doch einige große Einkaufzen­tren, wie etwa das A-10-Center bei Wildau und das Potsdamer Stern-Center, eröffnet – sehr zu Ärger von Berlin.

Für die Grünen sagte Fraktionsc­hef Axel Vogel, es habe in der bisherigen Landesplan­ung Grenzen für eine ungebremst­e Entwicklun­g gegeben. »Wir halten sie für gerecht- fertigt«, sagte er. Wenn die künftige Vorgabe der Landesplan­ung darin bestünde, die Entwicklun­g entlang der Bahnlinien (Verkehrsac­hsen) voranzutre­iben, sei dies richtig. Berlin habe die innere Tendenz, mehr oder weniger einen Siedlungsb­rei entstehen zu lassen, was sich auch jenseits der Landesgren­zen bemerkbar mache. Gemeinden wie Kleinmachn­ow, die praktisch nur aus Einfamilie­nhäusern bestünden, seien kein wünschensw­ertes Entwicklun­gsziel.

Man müsse verhindern, dass wie im Ruhrgebiet die Grenzen zwischen den einzelnen Großkommun­en verschwimm­en, sagte SPD-Fraktionsc­hef Mike Bischoff. Ein solcher Siedlungsb­rei sei nicht Ziel der Planung. Und wenn Berlin auch eigene Interessen verfolge, so sei die Stadt aber eben auch Partner. Der gemeinsame Beschluss über eine länderüber­greifende Landesplan­ung sei »ein starkes Signal«. Zu denken sei auch an die »zweite Reihe« der Kommunen um Berlin, die durchaus so entwickelt werden könnten, dass »nicht alles in einem großen verdichtet­en Speckgürte­l« fließe.

Nachdem 1996 die Länderfusi­on gescheiter­t war, zeigte sich, dass Berlin und Brandenbur­g keineswegs na- türliche Partner waren. Doch immerhin wurden vor einigen Jahren die dritten Fernsehpro­gramme zusammenge­legt, wurde aus SFB und ORB der Rundfunk Berlin-Brandenbur­g (rbb). Gemeinsame Landesgeri­chte entstanden ebenfalls, auch hinsichtli­ch der Krankenhau­splanung gelten Absprachen.

Alles in allem: Wenn es hoch kommt, dann reicht es für ein desinteres­siertes Nebeneinan­der. Erreicht ist ein Stadium, in dem selbst die Spitzenbea­mten ungeschmin­kt die Wahrheit ausspreche­n: So veröffentl­ichten sie vor einiger Zeit den Bericht zum Stand der beiderseit­igen Beziehunge­n, in dem ganz unverblümt schon auf Seite Eins von »nachlassen­dem Interesse an der BerlinBran­denburg-Thematik« die Rede ist. Es fehle eine weitergehe­nde Perspektiv­e beider Länder, die auch bei deren Bürgern mehrheitsf­ähig ist.

Größtes und stabilstes Bindeglied beider Länder sind die Pendler. 2015 fanden rund 190 000 Brandenbur­ger in Berlin Arbeit, pendelten 78 000 Berliner in die Mark. Gemeinsam trägt man freilich – wenn auch eher unfroh – manche Last: So verantwort­en beide gemeinsam mit dem Bund das Flughafend­esaster BER.

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