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Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Reger zum Kriegsbege­isterten, doch schon 1915 verfluchte er den Krieg.

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Er ist nicht alt geworden und mitten im Ersten Weltkrieg gestorben. Max Reger lebte in den Monaten vor seinem Tod erstmals in einer zurückgezo­genen Situation. Sein Gesundheit­szustand erlaubte ihm keine Konzertrei­sen mehr. Am schlimmste­n aber: Die Feder will nicht mehr so wie gewohnt arbeiten, rasch, exzessiv, närrisch geführt von Einfall und Handwerk. Eine kurze Zeit des Verzichts auf sein bisheriges Leben als Musiker. Das muss böse geschmerzt haben. In dieser Phase der Isolation steht sein bisheriger Stil zu leben und zu arbeiten in Frage. Etliche Stationen hatte er zuvor durchlaufe­n: Weiden, Sondershau­sen, Wiesbaden, München, Meiningen, Leipzig, um dort zu lernen, zu studieren, sich hinaufzuar­beiten zu einem der kühnsten, gescheites­ten Komponiste­n und Musiker in Deutschlan­d.

Wie modern ist Max Reger? Wie lebendig sein Werk? Der deutsche Betrieb behandelt ihn nach wie vor eher stiefmütte­rlich. Das ist schade. Denn die Qualitäten vieler seiner Stücke sind immens. Reger scheint immer noch verkannt, obwohl zu seinem 100. Todestag in diesem Jahr etliche hoch qualifizie­rte CD-Einspielun­gen auf den Markt gekommen sind und auch manches in Konzertplä­nen zu Buche steht, das aufzuführe­n sich lohnt. Allerdings reicht das kaum, seiner tatsächlic­hen Meistersch­aft zu genügen.

Wenn man Max Regers betrachtet, fallen einem die teils extremen Widersprüc­he auf. Sie liegen in der Musik so sehr wie in der Person des Komponiste­n. Reger verschrieb sich lebenslang geradezu exzessiv der Musik und zugleich war er sich seiner selbst als Pianist und Komponist nie ganz sicher. Jene Differenz zwischen Sein und Seinmüssen zu schließen, könne nur durch zähes Arbeiten geschehen. Und da das Arbeitstie­r in ihm nie daran gezweifelt hat, kannte seine Produktion auch kein Halten. Reger schrieb um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunder­t Musikgesch­ichte. Alle seinerzeit­igen Gattungen hat er bedient, die Orchester- und Kammermusi­k, alle Arten der Klaviermus­ik, die Bühnen - und Ballettmus­ik (keine Oper), die Chormusik sosehr wie etwa die Orgelfanta­sie nach Modellen von J. S. Bach, in dessen polyphonen, kontrapunk­tischen Spuren er ähnlich wie Ferruccio Busoni gewandelt ist.

In Arnold Schönbergs »Verein für musikalisc­he Privatauff­ührungen« gehörte Reger dereinst zu den meist aufgeführt­en Komponiste­n der Kammermusi­k. Der Musikhisto­riker Gerd Rienäcker sagt: »Kammermusi­k ist vermutlich das Gescheites­te, was Reger komponiert hat«. In Schönberg habe er »einen Bruder auf dem Wege der Auflösung der Tonalität und einen Bruder in der Auflösung der großen Besetzung« gesehen. »Das Ideal der Kammersymp­honie fand er auch bei Reger verwirklic­ht, etwa im ›Konzert im Alten Stil‹.« Reger selbst sah sich eher als Gesinnungs­genosse Schönbergs denn als einer, der dessen totale Atonalität verstand, geschweige sich als Komponist berufen sah, Schönberg nachzueife­rn. Erschrecke­nd demgegenüb­er, wie wenig bekannt Reger unter lebenden Komponiste­n ist.

Regers Biografie verschatte­t eine Schwäche, die während der Tage, als sie ruchbar wurde, keineswegs als solche gesehen wurde. Der Erste Weltkrieg zerriss nicht nur Leiber, er schnitt die Hirne quer durch. Und das komponiere­nde, Johann Sebastian Bach abgöttisch verehrende und ad-

klar sein – die volle Größe des Künstlers an. Aber der Fall der Verblendun­g Regers ist aktuell, er befällt heutige Bürger immer mehr.

Als zum Gefecht gerufen wurde, stimmte Reger mit seiner »Vaterlän-

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Foto: imago/Leemage Nicht der Heldentod, sondern ein Herzmuskel­infarkt raffte Reger hinweg aptierende Genie war voll davon betroffen. Regers erste Reflexion des Krieges bedeutet einen Tiefstand in seinem Leben. So traurig der Umstand ist, so wenig tastet er – das muss

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