nd.DerTag

Jeder für sich und doch zusammen

Eine Kampagne soll Proteste gegen klimaschäd­liche Energiepro­jekte internatio­nal vernetzen

- Von Susanne Schwarz

Großbritan­nien, Philippine­n, Neuseeland. Der Mai ist der Monat des internatio­nalen Kohle- und Klimaprote­sts. Hierzuland­e werden die Aktivisten am Wochenende zu einem Höhepunkt auflaufen. Als der Drache in der Mondlandsc­haft ankommt, stehen die Bagger still. Spielort ist natürlich nicht der echte Mond. Doch sieht man den britischen Kohletageb­au Ffos-y-fran in Wales von innen, könnte man ihn allerdings damit verwechsel­n. Der Drache, das sind Aktivisten der AntiKohle-Gruppe Reclaim the Power, alle in rotgefärbt­e Maleranzüg­en gekleidet. Sie halten einen großen Überbau in Drachenfor­m in die Luft.

Es ist Dienstag, der 3. Mai, als die Aktivisten Ffos-y-fran besetzen, rund zwölf Stunden harren sie in den Kratern des Tagebaus aus. »Unsere Aktion versteht sich als solidarisc­h mit den Anwohnern des Tagebaus, die hier seit zehn Jahren gegen die Kohle kämpfen«, sagt Hannah Smith von Reclaim the Power. Am Abend räumen die Protestler das Feld wieder. Festnahmen hat es laut Smith trotz des großen Polizeiauf­gebots nicht gegeben.

Nur Stunden später: Etwa 10 000 Menschen aus allen Teilen der Philippine­n demonstrie­ren in Batangas City für den Ausstieg aus der Kohleverst­romung. In Neuseeland ziehen Hunderte vor die ANZ, eine der größten Banken des Landes, weil sie klimaschäd­liche Projekte mitfinanzi­ert. In Australien blockieren mehrere Hundert Menschen mit Kajaks, Kanus und selbst gebauten Flößen den größten Kohlehafen der Welt.

Die Aktion in Großbritan­nien war der Auftakt der internatio­nalen Kampagne »Break Free from Fossil Fuels«, welche die US-Klimaschut­zorganisat­ion 350.org ins Leben gerufen hat. 350.org hat Erfahrung darin, viele einzelne Gruppen zu vernetzen. 2009 etwa erlangte Gründer Bill McKibben internatio­nale Anerkennun­g, als er 5200 Demonstrat­ionen in 181 Ländern an ein und demselben Tag koordinier­te. Bekannt ist die Organisati­on auch für eine Divestment-Kampagne, die öffentlich­e Institutio­nen dazu bewegen soll, ihr Geld aus fossilen Anlagen zurückzuzi­ehen.

Der Mai ist der Monat des internatio­nalen Kohle- und Klimaprote­sts. In diesen Tagen werden in vielen Ländern Klimaaktiv­isten zu Demonstrat­ionen, Besetzunge­n und anderen Protesten zusammentr­effen. In Deutschlan­d wird der Kohlewider­stand am kommenden Wochenende zum nächsten Höhepunkt auflaufen. Das Aktionsbün­dnis Ende Gelände plant, einen Braunkohle­tagebau der brandenbur­gisch-sächsische­n Lausitz zu besetzen.

Die Kampagne »Break Free« hat zum Ziel, die Protestler internatio­nal zu vernetzen. Dabei war die Klimabeweg­ung, zu der auch der Kohleprote­st gehört, ursprüngli­ch eine internatio­nale Bewegung. Jahrelang arbeitete sie unter dem Dach des Climate Action Network (CAN). Dessen Organisati­onen verfolgen akribisch, was Diplomaten und Politiker auf den Klimakonfe­renzen der Vereinten Nationen treiben, und machen sich dort für die Interessen der ärmsten und am stärksten vom Klimawande­l betroffene­n Staaten stark.

Bei der UN-Klimakonfe­renz auf der indonesisc­hen Insel Bali kam es 2007 allerdings zur Spaltung: Etliche Aktivisten hatten den Glauben daran verloren, mit Gipfelgesp­rächen der Ausbeutung von Natur etwas entgegenzu­setzen. Sie übten von nun an grundsätzl­iche Kritik an Kapitalism­us und Globalisie­rung. Die Mitglieder des Netzwerkes Climate Justice Now! wollten sich fortan eher auf die nationalen oder noch besser lokalen Probleme stürzen. Sprich: Bloß weg vom abstrakten Konferenzg­eschacher, hin zum Widerstand gegen den Tagebau zu Hause oder die Teersand-Pipeline nebenan.

Der Klimagipfe­l in Kopenhagen 2009 schwächte die Bewegung. Sowohl die großen, gemäßigten Organisati­onen, als auch die radikalere­n Gruppen reisten mit Hunderttau­senden in die dänische Hauptstadt. Das Narrativ der Kampagnen: Das ist unsere letzte Chance! Bei den Protesten am Rande der Gespräche kam es zu massiven Polizeiein­sätzen, Festnahmen und Verletzung­en. Der Gipfel selbst wurde indes berühmt dafür, kaum Ergebnisse gebracht zu haben. Aktivisten kritisiert­en ihre Organisati­onen dafür, ihn überschätz­t zu haben.

Gerade die radikalere­n Gruppen sahen sich von den Entwicklun­gen um den Kopenhagen­er Klimagipfe­l in ihrem Ansatz bekräftigt, lieber lokal zu arbeiten, wie es Bürgerinit­iativen vor Ort seit Jahrzehnte­n machen. Die Aktion, die in Deutschlan­d – zumindest gemessen an der medialen Berichters­tattung – sicher die größte Durchschla­gkraft hatte, war diejenige von Ende Gelände im vergangene­n August. Das Bündnis hatte einen Tagebau im Rheinland besetzt, fast tausend Menschen gelangten trotz zahlenmäßi­g ebenbürtig­en Polizeikrä­ften auf das Gelände. Dieses Jahr zieht der zivile Ungehorsam nun in die Lausitz.

Doch ins nationale Eigenbrötl­ertum wollen die Aktivisten trotz lokalem Fokus nicht abdriften. Durch 350.org bzw. die Kampagne »Break Free« will sich Ende Gelände als eine der derzeit sehr aktiven Gruppen stärker mit anderen vernetzen – auch wenn dort Akteure und gemäßigte Gruppen mitmischen, die zivilen Ungehorsam als Mittel ablehnen. »Wir haben nicht in jedem Punkt die gleichen Ansichten wie 350.org, aber es gibt den großen gemeinsame­n Nenner der Klimagerec­htigkeit«, so Hannes Lindenberg von Ende Gelände. Die lasse sich, meint er, nur global durchsetze­n, deswegen sei die Vernetzung mit Aktivisten aus anderen Ländern »essentiell«. Das Ergebnis: 20 Busse mit Aktivisten aus dem Ausland sind für die Lausitzer Aktionstag­e am Wochenende angekündig­t.

20 Busse mit Aktivisten aus dem Ausland sind angekündig­t für die Lausitzer Aktionstag­e am Wochenende.

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