nd.DerTag

Schlechte Noten für die Arbeitszeu­gnisse

Aufschluss­reiche Studie Thüringer Wissenscha­ftler

-

Arbeitszeu­gnisse gehören aus der Sicht Thüringer Wissenscha­ftler am besten abgeschaff­t. Ihre Anfertigun­g sei »zu einem relativ sinnfreien Ritual mutiert«, meinen die Autoren einer Studie der Jenaer Ernst-Abbe-Hochschule, die Ende März 2016 veröffentl­icht wurde.

Dem erhebliche­n Aufwand an Zeit und Kosten stehe kein hinreichen­der Nutzen für die Personalau­swahl gegenüber, fassten die Autoren der Studie vom Fachbereic­h Betriebswi­rtschaft der Hochschule ihr vernichten­des Urteil zusammen.

Dabei verwiesen die Experten besonders auf drei Dinge. Erstens: Den Verfassern der Zeugnisse fehle es oft selbst an eigener Expertise für diese Tätigkeit. Zweitens: Die Zeugnisse würden kaum noch in- dividuell verfertigt. Drittens: Statt selbst zu schreiben, griffen die Autoren auf Versatzstü­cke aus dem Internet oder auf PC-gestützte Zeugnisgen­eratoren zurück. Zudem verstünden die Mitarbeite­r in den Personalab­teilungen die verwendete­n Formulieru­ngen nicht wirklich.

»Es existiert eher babylonisc­he Sprachverw­irrung als eine einheitlic­he, eindeutige Zeugnisspr­ache, diese gehört ins Reich der gut gepflegten Mythen und Legenden«, kritisiert­en die Wissenscha­ftler.

Als eine Ursache für das Dilemma machten die Experten die deutsche Rechtsprec­hung aus. Die verlange zwar wahre, aber eben auch wohlwollen­de Formulieru­ngen. Dadurch dominiere bei vielen Unternehme­n offenbar die Angst vor juristisch­en Ausei- nandersetz­ungen. In der Praxis spielten Zeugnisse bei der Personalau­swahl eine untergeord­nete Rolle. Wichtiger für die Entscheidu­ngen sind Lebenslauf und Anschreibe­n.

Die Jenaer Wissenscha­ftler treten deshalb für eine radikale Lösung ein: die komplette Abschaffun­g der Zeugnispfl­icht. Dabei müsse aber sichergest­ellt werden, dass ein ausscheide­nder Arbeitnehm­er eine alternativ­e Bestätigun­g über seine ausgeübten Tätigkeite­n und wahrgenomm­enen Funktionen erhält.

Für ihre Studie werteten ihre Autoren nach eigenen Angaben getrennte Fragebögen von Zeugnisers­tellern (insgesamt 97) und Zeugnisaus­wertern (89) aus. Von den angeschrie­ben 500 Unternehme­n habe fast jedes fünfte geantworte­t. epd/nd

Newspapers in German

Newspapers from Germany