Nicht über einen langen Zeitraum mindern
Die Frage ist nun, um wie viel Prozent gemindert werden darf. Gesetzliche Vorgaben, an denen man sich orientieren könnte, gibt es nicht. Kommt es zum Rechtsstreit, entscheiden die Richter nach ihrem Ermessen, wobei es auf die Umstände im konkreten Einzelfall ankommt. Auf Tabellen aus dem Internet sollte man sich daher nie verlassen. Selbst bei einer vermeintlich klaren Sachlage – wie einem Totalausfall der Heizung im Winter – halten einige Gerichte 50 Prozent für angemessen, andere dagegen 100 Prozent.
Die oberste Regel lautet: Nie in Eigenregie mindern, sondern immer zuerst eine Rechtsberatung aufsuchen. Zwar sind auch Mietrechtsexperten nicht vor Fehleinschätzungen gefeit. Aber sie können anhand der Rechtsprechung und Erfahrungswerten zu einem realistischeren Abzug raten. »Die meisten Mieter überschätzen die Höhe der Mietminderung«, weiß Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins (BMV).
Viele beurteilen das sehr subjektiv und nehmen ihren persönlichen Leidensdruck als Maßstab. Weil sie beispielsweise wegen Kneipenlärm nicht mehr ungestört schlafen können, hal-
»Seit klargestellt ist, dass grundsätzlich die Warmmiete Berechnungsgrundlage für die Mietminderung ist, tendieren die Gerichte zudem zu niedrigeren Quoten«, erklärt Schetschorke.
Viele Mieter machen auch den Fehler, bei einer Vielzahl kleinerer Mängel die einzelnen Prozentsätze zu addieren, so Schetschorke: »Die schauen ins Internet, finden dort 5 Prozent für eine defekte Klingel, 3 Prozent für ein verwahrlostes Treppenhaus und so weiter – und schon kommt man auf 70 Prozent halten, das den Vermieter zur Kündigung berechtigt (BGH vom 25. Oktober 2006, Az. VIII ZR 102/06). Dabei spielt es keine Rolle, ob man einen Anwalt oder den Mieterverein zu Rate gezogen hat. Allerdings hat man beim Berliner Mieterverein die Erfahrung gemacht, dass viele Mieter eine Klage scheuen. Lieber mindern sie jahrelang die Miete. Doch davon ist dringend abzuraten. Bei entsprechend hohen Minderungssätzen droht schon nach wenigen Monaten die Kündigung.
Für streitbereite Mieter empfiehlt BMV-Rechtsexperte Frank Teil 1 im nd-ratgeber vom 4. Mai 2016.