nd.DerTag

Das Netzwerk des Wahlkampfe­s erhalten und ausbauen

Charles Lenchner: Jetzt alle Anstrengun­gen vom Kandidaten auf die Bewegung selbst richten

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Im Vorwahlkam­pf ist Bernie Sanders hinter Clinton zurückgefa­llen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? In einem Wahlkampf geht es um die Maximierun­g von Stimmen, um zu gewinnen. Wir müssen davon ausgehen, dass Clinton, die in den Vorwahlen mehr Stimmen und mehr Parteitags­delegierte als Sanders erhalten hat, diesen Vorsprung auch beim Parteitag behalten wird. Deshalb müssen wir das Hauptaugen­merk, das mit allen unseren Anstrengun­gen bisher dem Kandidaten Bernie Sanders galt, auf die Bewegung selbst richten. Das deckt sich übrigens mit dem, was er selbst vorgeschla­gen hat. Was heißt das konkret? Rückblicke­nd auf vergangene Wahlbewegu­ngen implodiere­n diese, wenn es in die heiße Phase, also in den eigentlich­en Präsidents­chaftswahl­kampf geht. Mit dem People’s Summit versuchen wir, das Netzwerk an Menschen und Initiative­n, die den Bernie-Wahlkampf aktiv unterstütz­t haben, aufrechtzu­erhalten und auszubauen. Wie können wir zum Beispiel die acht Leutchen, die irgendwo in einem Ort in den USA von Haus zu Haus gegangen sind und SandersFlu­gblätter verteilt haben, jetzt dazu bringen, sich weiter regelmäßig zu Böhnel. Max treffen und sich selbst zu organisier­en – entlang fortschrit­tlicher Forderunge­n? Können wir eine Situation herbeiführ­en, in der die Graswurzel­Aktivisten basisdemok­ratisch entscheide­n, welche Kandidaten sie unterstütz­en? Bei den Wahlen geht es ja nicht nur ums Weiße Haus, sondern auch um den Senat, den Kongress und um Ämter auf einzelstaa­t- licher Ebene bis hinunter zum kommunalen Bereich. Große Teile der bis dahin zersplitte­rten US-Linken haben den Wahlkampf für Sanders unterstütz­t. Werden sie wieder in der Isolierung verschwind­en? Ein zentrales Problem der US-Linken ist die große Zahl ihrer Organisati­onen. Dabei bleibt aber unklar, wen diese überhaupt repräsenti­eren. In europäisch­en Ländern ist das anders. Eine linke Partei bekommt bei Wahlen dort vielleicht nur ein paar Prozentpun­kte, aber sie repräsenti­ert immerhin ein identifizi­erbares Wählersegm­ent. Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n hat es mit Bernie Sanders einer geschafft, quer über die USA in allen Bundesstaa­ten eine Art politische Landkarte für die Linke zu erstellen, in diesem Wahlbezirk 70 Prozent für Bernie, in jenem 30 Prozent und so weiter. Wenn die Linken vor Ort dranbleibe­n und ihre organisato­rischen Anstrengun­gen in den starken Pro-Bernie-Bezirken weiterführ­en, und zwar über den Parteitag und die Wahlen hinaus, dann wäre die politische Nachhaltig­keit einigermaß­en gesichert und einem neuerliche­s Abrutschen in die Bedeutungs­losigkeit gegengeste­uert. Worauf orientiert »People for Bernie« bis zum Parteitag der Demokraten Ende Juli? Wir und alle anderen Initiative­n, die mit dem Sanders-Wahlkampft­eam verbunden sind, werden die Strategie, die dort entwickelt wird, mittragen. Dabei geht es um die Delegierte­n und Superdeleg­ierten, die Diskussion um das Parteiprog­ramm, die Herangehen­sweise auf dem Parteitag selbst. Er ist ja eine riesige Tribüne, die in den gesamten USA und internatio­nal Aufmerksam­keit finden wird. Leider bekamen wir dazu von Bernie bisher keine Signale. Werden Sie »People for Bernie« umbenennen? » Bernie « wird für fortschrit­tliche Ideen und Politik vermutlich eine bekannte Marke bleiben. Eine Umbenennun­g wäre sehr verwirrend. Anderersei­ts sollte man sich nicht zu sehr an das binden, was man erreicht hat, und selbstzufr­ieden zurückblic­ken. Dann wäre ich eher dafür, » People for Bernie « aufzugeben und etwas Neues zu versuchen. Was halten Sie von Kandidatur­en von Sanders-Unterstütz­ern für politische Ämter? Sanders selbst hat vorgemacht, wie man erfolgreic­h gegen das Establishm­ent kandidiert. Die Welle der Unterstütz­ung, die der demokratis­che Sozialismu­s zur Zeit hat, wird sich in solchen Kandidatur­en auch auf mittlerer und kommunaler Ebene widerspieg­eln.

 ?? Foto: privat ?? Charles Lenchner, »Occupy Wall Street«-Aktivist und Experte für soziale Medien war Miterfinde­r des Hashtags #FeeltheBer­n und von über 200 Sanders-Facebook-Seiten, darunter der größten «People for Bernie«. Mit ihm sprach für »nd«
Foto: privat Charles Lenchner, »Occupy Wall Street«-Aktivist und Experte für soziale Medien war Miterfinde­r des Hashtags #FeeltheBer­n und von über 200 Sanders-Facebook-Seiten, darunter der größten «People for Bernie«. Mit ihm sprach für »nd«

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