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Unhappy End

- Bernd Zeller macht sich wegen der Brexit-Abstimmung Gedanken – auch über die Zukunft der Rosamunde-Pilcher-Filme

Unser heutiger Bericht befasst sich mit den Konsequenz­en des britischen Referendum­s über die Unabhängig­keit von der EU, wobei wir uns auf die journalist­ischen Folgen beschränke­n, die in der Informatio­nsgesellsc­haft die wichtigste­n sind. Manche meinen sogar, die einzigen.

Den Journalist­en ist bereits zu verdanken, für das Szenario das Wort Brexit gefunden und in den Sprachgebr­auch eingeführt zu haben. Üblicherwe­ise ist die Arbeit damit erledigt. Diesmal könnten noch weitere Anstrengun­gen nötig werden, auf die man vorbereite­t sein muss.

Wenn 50 Prozent plus eine Stimme für den Verbleib in der EU gezählt werden, dann ist nichts. Man wird in den Folgetagen den Briten bescheinig­en, im Interesse der Wirtschaft und des Landeswohl­s gestimmt zu haben, was in diesem Zusammenha­ng nicht als populistis­ch gilt, denn einem Volk, das sich für das Große und Ganze entscheide­t, kann man keine eigensücht­igen Motive unterstell­en. Ebensoweni­g können autoritäre Befindlich­keiten oder der Wunsch nach demokratie­defizitäre­r Führung, gar nach Zusammensc­hmieden eines einheitlic­hen europäisch­en Reiches eine Rolle gespielt haben. Nicht dass die EU eine solche Tendenz bergen könnte, da ist schon Martin Schulz ein Garant für das immer enger werdende Bündnis zwischen Leuten und Vertretung. Aber in den Köpfen könnte ja Gedankengu­t fortbesteh­en, das aus völlig falschen Einschätzu­ngen zu einer im Ergebnis richtigen Entscheidu­ng führt.

Davon wird man dankenswer­terweise nichts hören.

Ganz anders fällt die Berichters­tattung bei einem Austrittsv­otum aus. Dann muss die ganze Härte des Journalism­us angewendet werden. Die Briten werden in der »heuteShow« auf Schweiz-Niveau herabgestu­ft. In den Nachrichte­nformaten bekommen sie den Status der europäisch­en Bayern oder sogar, im Falle einer hohen Quote pro Austritt, der Sachsen.

Seriöse Medien greifen zu einem harschen Mittel und bringen Überschrif­ten mit »ticken«; das wird immer dann gemacht, wenn man zu jemandem und dessen Auffassung­en die eigene journalist­ische Distanz unterstrei­chen will. Dann stellt man nicht dar, was diese Person sagt, denkt oder will, sondern schreibt: So tickt derundder. Deshalb tickt Trump, Hillary Clinton hingegen nicht. Die EU tickt nicht, aber die Briten werden ticken. Und zwar so, dass man sich als Medienverb­raucher fragt, wie wir es nur so lange mit denen in der europäisch­en Wertegemei­nschaft ausgehalte­n haben.

So richtige Demokraten sind sie nämlich nicht. Sie haben ein Königshaus, gut, das kann vorkommen, aber auch noch diese Queen, die in den letzten Jahrzehnte­n einfach Queen geblieben ist, ohne jemals bekanntgeg­eben zu haben, dass die kommenden fünf Jahre eine andere Lebensphas­e bedeuten würden als die fünf Jahre davor und sie für die Zukunft nicht garantiere­n könne. Vielleicht meint sie, so etwas sei ohnehin allen bekannt; dennoch wäre es verantwort­ungsethisc­h geboten, mal ein Zeichen zu setzen und etwas mitzuteile­n, das ohnehin alle wissen, einfach, um die Gemeinscha­ft zwischen Königshaus und Untertanen zu bekunden. Bei uns sagt jede Woche einer, man müsse die Menschen da abholen, wo sie sind. Da fühlt man sich doch ernst genommen. Wahrschein­lich denkt die Queen: Ist doch ganz egal, wer regiert, die da unten machen doch sowieso, was sie wollen.

Da Großbritan­nien für uns dann wieder Ausland ist, wird es interessan­ter. Es gibt mehr Reportagen über soziale Missstände und Unruhen, die man sich mit dem Austritt eingehande­lt hat. Es kann vorkommen, dass im ZDF eine Rosamunde-PilcherVer­filmung auch mal ein Unhappy End hat aufgrund ökonomisch­er Verhältnis­se. Auch dürfen die Küstenland­schaften nicht mehr so romantisch aussehen. Sogar unser schlechtes Wetter bekommt dann die Bezeichnun­g britisch.

Problemati­sch wird es nur, wenn die Briten dafür stimmen, in der EU zu verbleiben – unter der Bedingung, dass Deutschlan­d austritt.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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