Unhappy End
Unser heutiger Bericht befasst sich mit den Konsequenzen des britischen Referendums über die Unabhängigkeit von der EU, wobei wir uns auf die journalistischen Folgen beschränken, die in der Informationsgesellschaft die wichtigsten sind. Manche meinen sogar, die einzigen.
Den Journalisten ist bereits zu verdanken, für das Szenario das Wort Brexit gefunden und in den Sprachgebrauch eingeführt zu haben. Üblicherweise ist die Arbeit damit erledigt. Diesmal könnten noch weitere Anstrengungen nötig werden, auf die man vorbereitet sein muss.
Wenn 50 Prozent plus eine Stimme für den Verbleib in der EU gezählt werden, dann ist nichts. Man wird in den Folgetagen den Briten bescheinigen, im Interesse der Wirtschaft und des Landeswohls gestimmt zu haben, was in diesem Zusammenhang nicht als populistisch gilt, denn einem Volk, das sich für das Große und Ganze entscheidet, kann man keine eigensüchtigen Motive unterstellen. Ebensowenig können autoritäre Befindlichkeiten oder der Wunsch nach demokratiedefizitärer Führung, gar nach Zusammenschmieden eines einheitlichen europäischen Reiches eine Rolle gespielt haben. Nicht dass die EU eine solche Tendenz bergen könnte, da ist schon Martin Schulz ein Garant für das immer enger werdende Bündnis zwischen Leuten und Vertretung. Aber in den Köpfen könnte ja Gedankengut fortbestehen, das aus völlig falschen Einschätzungen zu einer im Ergebnis richtigen Entscheidung führt.
Davon wird man dankenswerterweise nichts hören.
Ganz anders fällt die Berichterstattung bei einem Austrittsvotum aus. Dann muss die ganze Härte des Journalismus angewendet werden. Die Briten werden in der »heuteShow« auf Schweiz-Niveau herabgestuft. In den Nachrichtenformaten bekommen sie den Status der europäischen Bayern oder sogar, im Falle einer hohen Quote pro Austritt, der Sachsen.
Seriöse Medien greifen zu einem harschen Mittel und bringen Überschriften mit »ticken«; das wird immer dann gemacht, wenn man zu jemandem und dessen Auffassungen die eigene journalistische Distanz unterstreichen will. Dann stellt man nicht dar, was diese Person sagt, denkt oder will, sondern schreibt: So tickt derundder. Deshalb tickt Trump, Hillary Clinton hingegen nicht. Die EU tickt nicht, aber die Briten werden ticken. Und zwar so, dass man sich als Medienverbraucher fragt, wie wir es nur so lange mit denen in der europäischen Wertegemeinschaft ausgehalten haben.
So richtige Demokraten sind sie nämlich nicht. Sie haben ein Königshaus, gut, das kann vorkommen, aber auch noch diese Queen, die in den letzten Jahrzehnten einfach Queen geblieben ist, ohne jemals bekanntgegeben zu haben, dass die kommenden fünf Jahre eine andere Lebensphase bedeuten würden als die fünf Jahre davor und sie für die Zukunft nicht garantieren könne. Vielleicht meint sie, so etwas sei ohnehin allen bekannt; dennoch wäre es verantwortungsethisch geboten, mal ein Zeichen zu setzen und etwas mitzuteilen, das ohnehin alle wissen, einfach, um die Gemeinschaft zwischen Königshaus und Untertanen zu bekunden. Bei uns sagt jede Woche einer, man müsse die Menschen da abholen, wo sie sind. Da fühlt man sich doch ernst genommen. Wahrscheinlich denkt die Queen: Ist doch ganz egal, wer regiert, die da unten machen doch sowieso, was sie wollen.
Da Großbritannien für uns dann wieder Ausland ist, wird es interessanter. Es gibt mehr Reportagen über soziale Missstände und Unruhen, die man sich mit dem Austritt eingehandelt hat. Es kann vorkommen, dass im ZDF eine Rosamunde-PilcherVerfilmung auch mal ein Unhappy End hat aufgrund ökonomischer Verhältnisse. Auch dürfen die Küstenlandschaften nicht mehr so romantisch aussehen. Sogar unser schlechtes Wetter bekommt dann die Bezeichnung britisch.
Problematisch wird es nur, wenn die Briten dafür stimmen, in der EU zu verbleiben – unter der Bedingung, dass Deutschland austritt.