nd.DerTag

Steuern sparen auf Kosten der Entwicklun­gsländer

Finanzauss­chuss des Bundestags befasste sich mit gängigen Praktiken von deutschen Banken und Konzernen

- Von Fabian Lambeck

Deutschlan­d leistet nicht nur Beihilfe zur Steuerhint­erziehung für Kleptokrat­en aus Entwicklun­gsländern. Deutsche Konzerne sind auch bemüht, ihre »Steuerlast« im globalen Süden aktiv zu verringern. Wenn die Politik mal wieder über Steueroase­n diskutiert, dann denken viele zuerst an exotische Orte wie Panama oder die Bahamas. Doch auch in der Bankenmetr­opole Frankfurt legen Reiche aus aller Welt ihr Geld an, um zu Hause weniger Steuern zahlen zu müssen. Der Finanzauss­chuss des Bundestage­s beschäftig­te sich am Montag in einer öffentlich­en Anhörung mit der »Auswirkung von Steuerverm­eidung und Steuerhint­erziehung auf die Entwicklun­gsländer«. Die Staaten des globalen Südens verlieren dabei gleich doppelt: Zum einen sind da die illegalen Steuerprak­tiken von Konzernen, durch die den armen Ländern im Jahr 2015 rund 200 Milliarden Euro verloren gegangen sein sollen, wie der Internatio­nale Währungsfo­nds schätzt. Zum anderen nutzen die einheimisc­hen Eliten den grenzenlos­en Kapitalver­kehr, um ihr oft widerrecht­lich angeeignet­es Vermögen dem Fiskus zu entziehen.

Hier kommt der Finanzplat­z Deutschlan­d ins Spiel: Der als Experte geladene Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergere­chtigkeit verwies auf Zahlen der Bundesbank, wonach das Finanzverm­ögen von Steuerausl­ändern im Jahr 2013 bis zu drei Billionen Euro betragen habe, wovon mindestens elf Prozent aus Schwellen- und Entwicklun­gsländern kamen. Da diese Kapitalert­räge in der Bundesrepu­blik nicht besteuert würden, dienten sie potenziell auch der Hinterzieh­ung. So entstünden »bis zu 24 Milliarden Euro jährlich an Steuerverl­usten durch Deutschlan­d«, betonte Meinzer. Die hiesige Gesetzesla­ge steht krummen Geschäften nicht im Wege. Denn »Gelder aus ausländisc­hen Korruption­s-Straftaten wie Untreue, Vorteilsna­hme oder Erpressung darf ein deutscher Banker straffrei annehmen und verwalten«, so Meinzer in seiner Stellungna­hme für den Finanzauss­chuss. Kein Wunder, dass Potentaten wie der Ägypter Hosni Mubarak oder Saddam Hussein einen Teil ihres Vermögens in Deutschlan­d parkten bzw investiert­en.

Wo anderersei­ts deutsche Unternehme­n im Ausland tätig sind, versuchen sie, ihre Steuerlast zu mindern. Diese nicht nur unter deutschen Konzernen weit verbreitet­e Praxis veranlasst­e die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD), ein Projekt gegen Steuerverm­eidung und Gewinnver- kürzung (BEPS) aufzulegen. Es sieht unter anderem strengere Rechenscha­fts- und Bilanzieru­ngsregeln für Konzerne vor. Denn noch fehle den Steuerbehö­rden in Entwicklun­gsländern »der Zugang zu Informatio­nen, was auf der anderen Seite passiert«, wie der OECD-Experte James Karanja aus Kenia erläuterte. Markus Meinzer schätzte, dass die fehlenden Informatio­nen die Entwicklun­gsländer bis zu 13 Prozent ihrer Steuereinn­ahmen kosteten.

Eine Lösung böte das von der OECD empfohlene »Country-by-CountryRep­orting«. So müsste die Konzernmut­ter in Deutschlan­d ihre Berichte nach Ländern aufschlüss­eln, also Informatio­nen über Umsatz und Personal für jeden Staat, in dem man aktiv ist, veröffentl­ichen. Noch behandeln viele Unternehme­n diese Angaben gegenüber Entwicklun­gsländern als Geheimsach­e. Dementspre­chend schwer sei es für die Behörden, Steuern zu erheben, erklärte Karanja.

Gerade für Entwicklun­gsländer seien die Ertragsste­uern aber von enormer Wichtigkei­t, wie der Experte vom Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) unterstric­h, da Lohnund Verbrauchs­steuern in den armen Volkswirts­chaften nur wenig einbrächte­n. Um so fragwürdig­er sind die Steuertric­ks, derer sich die Unternehme­n bedienen. Reimar Pinkernell von der Kanzlei Flick Glocke Schaumburg, den man wohl als Insider bezeichnen kann, verwies auf das sogenannte Treaty-Shopping. Hierbei machen sich Konzerne bilaterale Abkommen zunutze, die etwa eine Doppelbest­euerung vermeiden. Jahrelang liefen so etwa Indiengesc­häfte vieler Unternehme­n über den kleinen Inselstaat Mauritius, der vertraglic­h von Indien begünstigt war.

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