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Sternstund­en für Rom und Turin

Italienisc­he Kommunalwa­hlen werden zum Debakel für die Partei von Premier Renzi

- Von Wolf H. Wagner, Rom

Die Frauen der Bewegung Fünf Sterne haben die Bürgermeis­tersitze in Rom und Turin erobert. Das ist eine schwere Schlappe für Italiens Premier Matteo Renzi. Mit deutlichem Vorsprung hat die Bewegung Fünf Sterne (M5S) bei den italienisc­hen Kommunalwa­hlen am Sonntag in Rom und Turin gesiegt. Virginia Raggi, die bereits im ersten Wahlgang vor zwei Wochen als beste Kandidatin abschnitt, wird die erste Bürgermeis­terin der Hauptstadt.

Raggis Parteikoll­egin Chiara Appendino konnte zur Überraschu­ng aller den amtierende­n Piero Fassino in Turin überflügel­n. Auch in Neapel konnte die vom Partito Democratic­o (PD) geführte Mitte-Links-Koalition keinen Erfolg verbuchen. Sie hatte nicht einmal die Stichwahle­n erreicht, in denen sich Amtsinhabe­r und Kandidat der Linken, Luigi De Ma- gistris, mit einer Zweidritte­lmehrheit bestätigen ließ.

Die Gemeindewa­hlen erweisen sich als deutliche Abfuhr für die Politik Matteo Renzis. Während die Parteiführ­ung die Niederlage »ohne Beschönigu­ng« eingesteht, wiegelt der Premier und Parteichef ab: Dies sei eine Entscheidu­ng in den Gemeinden gewesen und beträfe nicht Italien. Der wahre Test stehe erst am 2. Oktober beim Referendum über seine Reformen bevor. Die Kandidaten seiner PD konnten sich nur knapp in Mailand und Bologna durchsetze­n.

Die Bewegung M5S des Satirikers Beppe Grillo hingegen gibt sich bereits siegessich­er für die nächsten Auseinande­rsetzungen. Man werde immer stärker, hieß es nach den Siegen von Raggi und Appendino. Zu den Parlaments­wahlen 2018 sollten sich die etablierte­n Parteien warm anziehen, denn man müsse auch in Zukunft mit M5S rechnen. Luca Di Maio, eine der führenden Kräfte der Ster- ne-Bewegung, erklärte, die traditione­llen Parteien hätten abgewirtsc­haftet und kein Konzept für die bevorstehe­nden Aufgaben. »Es reicht nicht, mit großen Projekten wie Olympia und Wahlreform zu winken, wir sprechen von Nahverkehr, Gesundheit­swesen und Jugendarbe­itslosigke­it.« Dies habe die Bürger der Hauptstadt überzeugt. Virginia Raggi, die erste und darüber hinaus jüngste Bürgermeis­terin Roms, hatte im zweiten Wahlgang sogar noch einmal mehr Stimmen auf sich vereinigen können.

Dies gelang auch der Kandidatin von M5S in Turin. Dort konnte die Protestbew­egung, die sich immer mehr zur Partei mausert, dem mehrfachen Minister und früheren Chef der Demokratis­chen Linken (DS), Piero Fassino, den Rang ablaufen. Fassino gilt als enger Vertrauter Renzis – der Ruf könnte ihm geschadet haben. »Wir haben einige Kommunen verloren, in denen wir lange re- giert haben, andere gewonnen, wo die Rechte regierte«, heißt es in einem Kommuniqué der PD. Aus den eigenen Reihen wird Kritik am Führungsst­il des »Verschrott­ers«, wie Renzi auch genannt wird, laut. Es gehe nicht, dass die Partei (und das Land) auf eine Person zugeschnit­ten werde. Die Kritiker fordern eine Personaltr­ennung von Partei- und Regierungs­chef. Dazu müsste die PD in den kommenden Wochen einen Kongress einberufen, auf dem dann sowohl die Statuten geändert als auch ein neuer Parteivors­itzender gewählt werden müsste.

Im Oktober will Renzi sein Verfassung­sreferendu­m abhalten. An den Sieg hatte er seine politische Karriere geknüpft. Dies könnte ein vorschnell­er Entschluss sein, denn die Fassade des vor zwei Jahren charismati­sch angetreten­en Regierungs­chefs bröckelt. Bislang konnte er nicht eine seiner vollmundig angekündig­ten Reformen erfolgreic­h umsetzen.

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Veni, vidi, vici: Roms neue Bürgermeis­terin Virginia Raggi Foto: AFP/Andreas Solaro

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