Ehrung des guten Menschen von Vilnius
Feldwebel Schmid rettete in Litauen Hunderte Juden vor dem Tod – nun erhält eine deutsche Kaserne seinen Namen
Es sind unscheinbare Häuser mitten in Vilnius. Ab 1863 war dort ein Gefängnis untergebracht. Am 13. April 1942 endete hier das Leben von Anton Schmid. An diesem 22. Juni wird er in Deutschland geehrt Als er nach Vilnius kommt, gilt es als Jerusalem des Nordens. Die Hauptstadt Litauens ist ein Zentrum jüdischer Kultur und Wissenschaft. 65 000 Juden leben hier Anfang der 1940er Jahre. Das ist jeder dritte Einwohner.
Sommer 1941, Blitzkrieg gegen die Sowjetunion. Innerhalb weniger Tage ist auch Vilnius von Deutschen besetzt. Anton Schmid wird dorthin versetzt. Er stammt aus Wien. Dort hat der Sohn eines Postboten Frau und Tochter sowie ein Geschäft für Elektronik- und Radioartikel. Als 1938 die deutsche Wehrmacht Österreich besetzte, half Anton Schmid jüdischen Nachbarn zu fliehen. Er tat es aus christlicher Nächstenliebe.
Der Feldwebel soll nun in Vilnius eine Sammelstelle für Versprengte leiten. Er ist 41 Jahre alt und könnte eigentlich fernab der Front ein ruhiges Leben genießen. Doch Anton Schmid ist ein Menschenfreund. Zu seiner Sammelstelle gehören Werkstätten, in denen Zwangsarbeiter beschäftigt sind. Darunter auch mehr als 100 Juden. Sie bitten Anton Schmid um Hilfe.
Anton Schmid stellt Juden mit falschen Papieren ein, beschafft Uniformen und gefälschte Ausweise. Er hilft, Essen ins Ghetto zu schmuggeln, holt selbst Menschen von dort heraus, versteckt Juden, die deportiert werden sollen, in seinem Büro und auf Lastkraftwagen. Die verlassen Vilnius. Über 300 Menschen können mit seiner Hilfe fliehen. Zuvor ist Anton Schmid Zeuge von Gewaltexzessen geworden. Er hat erlebt, wie Hunderte, an manchen Tagen auch Tausende jüdische Litauer von den Deutschen zusammengetrieben und erschossen werden.
Im Herbst 1941 wird die jüdische Bevölkerung von Vilnius in zwei Gruppen geteilt: eine arbeitsfähige und eine nicht arbeitsfähige. Wer zur zweiten gehört, soll deportiert werden. Anton Schmid stellt viele von ihnen in seiner Werkstatt ein.
Im Dezember leben von den 6000 Juden in Vilnius nur noch 12 000. Inzwischen unterstützt der Feldwebel aus Wien den jüdischen Widerstand. Seine Wohnung wird zum Treffpunkt. Hier wird beschlossen, Mitglieder des Widerstands nach War- schau und Bialystok zu entsenden. Sie sollen über die Massaker bei Vilnius berichten. Anton Schmid besorgt Fahrzeuge für den Transport.
Im Januar 1942 kommt ihm die Wehrmacht auf die Spur. Er wird verhaftet. Ein Militärgericht verurteilt ihn zum Tode. Vor der Hinrichtung kann Anton Schmid noch einen Brief an Frau und Tochter schreiben: »Will Dir noch mitteilen, wie das Ganze kam. Hier waren sehr viele Juden, die vom Litauischen Militär zusammengetrieben und auf einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2-3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Weg gleich an die Bäume angeschlagen…«
Es war das deutsche Militär, doch das kann Anton Schmid nicht schreiben. Er weiß, dass sein Brief sonst vernichtet wird. Anton Schmid bittet seine Frau Steffi und seine Tochter Gerta, ihm zu verzeihen. Die 140 Juden in seiner Versprengtenstelle hätten ihn gebeten, sie fortzubringen. »Da ließ ich mich überreden. Du weißt ja, wie mir ist, mit meinem weichen Herzen.«
Am 13. April 1942 wird Anton Schmid erschossen, auf dem Hof des Gefängnisses, gemeinsam mit sechs Deserteuren. Auf dem Soldatenfriedhof in Vilnius erinnert eine Gedenktafel an seine Taten. Sein Grab ist eines in einer unendlichen Reihe von Soldatengräbern. 1966 erhält er von der Gedenkstätte Yad Vashem die Auszeichnung »Gerechter unter den Völkern«.
Künftig wird die Bundeswehrkaserne in Blankenburg in Sachsen Anhalt an ihn erinnern. Am 22. Juni erhält sie den Namen »Feldwebel Anton Schmid«.