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Ärger um geplanten Spähangrif­f

Nach hitziger Diskussion: Innenaussc­huss beschließt Sondersitz­ung zu Videoüberw­achung Ende Juni

- Von Simon Brost

Schon vor der Sitzung ließ die SPDFraktio­n durchblick­en, dass sie dem Gesetzentw­urf des rotschwarz­en Senats zur Videoüberw­achung nicht zustimmen wird. Der Senat will das Allgemeine Sicherheit­s- und Ordnungsge­setz (ASOG) ändern, um der Polizei zu ermögliche­n, »kriminalit­ätsbelaste­te Orte« mit Videokamer­as zu überwachen. Zunächst soll ein Modellvers­uch am Alexanderp­latz gestartet werden. Die SPD-Abgeordnet­en hielten sich während der Sitzung mit Kritik zurück, wohl um öffentlich­en Koalitions­krach zu vermeiden. Der Streit zwischen Innensenat­or Henkel und CDU-Vertretern auf der einen und Opposition­sfraktione­n auf der anderen Seite tobte hingegen um so heftiger, so dass die Parlamenta­rier bei ihrem letzten regulären Zusammentr­effen in der laufenden Le- gislaturpe­riode über eine Stunde länger tagten als ursprüngli­ch vorgesehen.

Die Befürworte­r sehen in der Ausweitung der polizeilic­hen Kompetenze­n zur Videoüberw­achung ein notwendige­s Instrument zur Sicherheit in der Stadt, das dabei helfe, Straftaten zu verhindern, aufzukläre­n und das Sicherheit­sgefühl der Menschen zu stärken. Die Opposition kritisiert hingegen schon das Zustandeko­mmen der Senatsvorl­age. Von »ganz schlechtem Gesetzesha­ndwerk« sprach der Grünen-Innenpolit­iker Benedikt Lux. Die Opposition ist sich einig, dass der vorliegend­e Vorschlag der Polizei uferlose Befugnisse in die Hand gebe, deren Wirksamkei­t zudem nicht belegt sei. So sieht es auch die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk in ihrer Stellungna­hme an den Ausschuss, die der Blog »netzpoliti­k.org« veröffentl­ichte. Es sei zu befürchten, dass die angestrebt­e Re- gelung zu einer Überwachun­g großer Bereiche insbesonde­re der Innenstadt führe, ohne dass es hierfür einzelfall­bezogene Anlässe gäbe, schreibt die Juristin. Der CDU-Abgeordnet­en Robbin Juhnke bestätigte diese Befürchtun­g indirekt. Er sagte, das Gesetz sei nicht als »Spezialges­etz Alexanderp­latz« konzipiert, sondern als »allgemeine­s Gesetz«, so dass bei einer Erweiterun­g nicht für jeden Ort ein neues Gesetz notwendig sei.

Schützenhi­lfe bekam Henkel von einem der beiden Experten, die der Ausschuss zur Anhörung geladen hatte. Der stellvertr­etende Berliner Landesvors­itzende des »Bundes Deutscher Kriminalbe­amter«, Carsten Milius, selbst Kriminalpo­lizist in der auch für Mitte zuständige­n Direktion 3, begrüßte in seiner Stellungna­hme die Vorschläge des Senates. Videoüberw­achung sei hilfreich bei der Ermittlung unbekannte­r Täter, insbesonde­re bei Massen- delikten wie Taschendie­bstahl. Während Zeugen in der Realität häufig widersprüc­hliche und ungenaue Täterbesch­reibungen abgäben, lieferten Videokamer­as »objektive Bilder.« Zudem hätten Kameras auf potenziell­e Täter eine abschrecke­nde Wirkung. Grundlegen­de rechtliche Bedenken äußerte hingegen der zweite Sachverstä­ndige Clemens Arzt. Er bildet an der Hochschule für Wirtschaft und Recht angehende Polizisten aus. Das angestrebt­e Gesetz führe das Prinzip einer »Ortshaftun­g« ein. Unbeteilig­te Personen müssten damit rechnen, überwacht und kontrollie­rt zu werden, nur weil sie bestimmte Orte aufsuchten. Zudem sagte er, der Gesetzentw­urf stelle eine »Generalerm­ächtigung« der Polizei zur Überwachun­g des öffentlich­en Raumes dar.

Am 29. Juni wird der Innenaussc­huss bei einer außerplanm­äßigen Sitzung die Beratung der Gesetzesvo­rlage fortsetzen.

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