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Der König beendet die Dürre

Basketball­star LeBron James führt die Cleveland Cavaliers zu ihrem ersten NBA-Titel

- Von Oliver Kern

2014 kehrte LeBron James nach Ohio zurück, um seiner Heimat eine Meistertro­phäe zu verschaffe­n. Nun ist es ihm endlich gelungen. Immer wenn Basketball­er LeBron James den Verein wechselte, war es ein großes Ereignis in den USA. Aufgewachs­en in der Industries­tadt Akron im Bundesstaa­t Ohio heuerte der damalige Highschool-Star 2003 im Alter von 18 Jahren beim NBA-Team der Cavaliers an. Die spielen in Cleveland, gerade mal 60 Kilometer nördlich entlang der Route 77. Sieben titellose Jahre später ging er doch nach Miami und kündigte diesen Wechsel in einer eigenen Fernsehsho­w mit dem Titel »Die Entscheidu­ng« an. Das nahmen ihm viele Leute übel, wirkte es doch ziemlich großspurig für einen 25-Jährigen, der zwar gut spielt, aber noch nichts gewonnen hatte.

Mit den Miami Heat wurde er schließlic­h zweimal Meister, bevor er Florida im Jahr 2014 wieder verließ: »King James« wollte zurück nach Hause und Cleveland endlich einen Meistertit­el verschaffe­n. Das fanden die Bewohner Ohios, die vorher seine Trikots verbrannt hatten, dann doch recht sympathisc­h. Am Sonntagabe­nd vollendete LeBron James seine Mission. Die Cavaliers sind erstmals Meister, und der Superstar weinte.

Cleveland am Südufer des Lake Erie ist keine hübsche Stadt. Es gibt weder Strände noch Sehenswürd­igkeiten, die Touristen anlocken würden, also versucht die Stadt, mit Hilfe seiner Profisport­teams etwas Ruhm zu erlangen. Die letzte Meistersch­aft des Footballte­ams der Browns liegt aber bereits 52 Jahre zurück, die der Baseball spielenden Indians 68, und die Cavaliers hatten gar noch nie etwas gewonnen. Von einer Plage, einer Seuche, einer Dürre wurde gesprochen, und viele Amerikaner nennen Cleveland »mistake by the lake« – den Fehler am See. James wollte das ändern. Wozu ist man denn König?

2015 scheiterte­n die Cavaliers noch an den jungen Golden State Warriors aus dem kalifornis­chen Oakland und deren auf Tempo und vielen Dreipunktw­ürfen ausgericht­eten Spiel. Auch in der diesjährig­en Finalserie sah alles danach aus, als könnte der heute 31-jährige James nicht genügend Würfe durch die Körbe regnen lassen, um die Dürre zu beenden. Noch vor einer Woche stand es nach vier Spielen 1:3. Golden State brauchte nur noch einen Sieg.

Doch LeBron James ist kein normaler Basketball­er. Fortan zog er wie eine Dampflok immer wieder in die gegnerisch­e Zone unterm Korb und stopfte das Runde durchs Runde. Mittlerwei­le trifft er auch aus der Dis- tanz sicher. Und in der Abwehr, früher seine große Schwäche, blockte er Warriors-Star Stephen Curry. Noch nie wurde in einem NBA-Finale ein 1:3-Rückstand gedreht, James und den Cavaliers gelang nun genau das. Sie gewannen Spiel sieben auswärts mit 93:89, bevor James in Tränen aufgelöst zu Boden sank und Minuten später zum »Wertvollst­en Spieler der Finalserie« gekürt wurde.

Es hätte keinen verdienter­en Träger dieses Titels geben können. James erzielte in Punkten, Rebounds, Vorlagen, Ballgewinn­en und Blöcken die Bestwerte. Es sind die fünf wichtigste­n Einzelstat­istiken dieses Sports. Wer sich aus Zahlen nicht viel macht, dem sei nur gesagt, dass das in der 70jährigen NBA-Finalgesch­ichte noch niemandem gelungen war.

»Ich hatte einen Plan, um diesen Verein dorthin zu bringen, wo er noch nie war«, sagte James, der seine drei Kinder mit aufs Podium der Pressekonf­erenz gebracht hatte. »Es ist wie eine Befreiung. Ich kann es nicht erwarten, heimzukomm­en. Das wird die größte Party, die Cleveland je gesehen hat«, versprach James vor der Meistersch­aftsparade am Mittwoch. Er dürfte kaum enttäuscht werden. »Ich habe alles gegeben: Blut, Schweiß und Tränen. Cleveland, das ist für dich«, sagte er.

Auf seiner Mission, endlich den Titel zu holen schreckte er auch nicht davor zurück, hinter den Kulissen am Stuhl des Trainers David Blatt zu sägen, der mitten in der Saison nach ein paar verlorenen Spielen vom Assistente­n Tyronn Lue ersetzt wurde. Kein Wunder, dass der neue Coach nun nur lobende Worte für den Star fand: »Er hat es allen Zweiflern gezeigt, allen, die ihn hassen. Er gibt so viel, kümmert sich um seine Mitmensche­n, ist immer nett zu allen. Wenn jemand diesen Titel verdient hat, dann LeBron«, so Lue.

In den USA gibt es seit Jahren eine Diskussion darüber, wer der beste Basketball­er der Geschichte ist. Die Mehrheit plädiert immer noch für Michael Jordan. Ganz von der Hand zu weisen sind die Argumente für ihn nicht: Niemand erzielte je mehr Punkte im Schnitt als Jordan, stellte so viele Rekorde auf und gewann dazu auch noch sechs Meistersch­aften in den 90er Jahren. Es wären vermutlich sogar acht geworden, hätte Jordan nicht zwischendu­rch mal zwei Jahre lang versucht, eine Karriere als Baseballpr­ofi zu starten.

Doch auch für James spricht mittlerwei­le einiges. Der NBA-Titel vom Sonntag ist sein dritter, und James ist in seiner Vielseitig­keit noch dominanter als es Jordan war. Schon jetzt hat er häufiger zweistelli­ge Werte in Punkten, Rebounds und Vorlagen – sogenannte Triple Doubles – in einem Spiel gesammelt, und in etwa drei Jahren wird er auch mehr Punkte erzielt haben als Jordan. Dann ist James 34 Jahre alt. Jordan spielte, bis er 40 war.

Die Beliebthei­t Jordans fußte auch immer auf seiner politische­n Zurückhalt­ung. So war er für den weißen, latent rassistisc­hen Basketball­fan in den USA akzeptabel. James hingegen muckt schon mal auf. Als im Februar 2012 der unbewaffne­te junge Schwarze Trayvon Martin erschossen wurde, und sich der Täter auf Notwehr berief, weil ihm Martin in dessen Kapuzenpul­li gefährlich vorkam, brachte James sein ganzes Team dazu, sich aus Protest in solchen Hoodies fotografie­ren zu lassen. Viele US-Stars schlossen sich der Aktion an, doch manch Waffenlieb­haber reagierte erzürnt.

James wird trotz erfüllter Titelmissi­on sicher noch ein paar Jahre weitermach­en. Zeit genug, um noch ein paar neue Fans zu gewinnen.

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Foto: AFP/Ronald Martinez Stars unter sich: LeBron James (l.) und Stephen Curry

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