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Gut gerüstet fürs große Ziel

Die EM-Gastgeber erfreut das gewachsene Selbstvert­rauen nach dem 0:0 gegen die Schweiz

- Von Christoph Ruf, Lille

Als Gruppensie­ger hat sich Frankreich fürs Achtelfina­le qualifizie­rt. Die defensiven Schwächen wurden kompensier­t, Trainer Deschamps wähnt sein Team gut gerüstet fürs große Ziel. Didier Deschamps ist nun schon so lange im Amt, dass er die meisten französisc­hen EM-Journalist­en persönlich kennt. Viele duzt er, einigen gibt er auch mal zu verstehen, dass er ihre Fragen für ahnungslos hält. Das Verhältnis des Nationalco­achs zur Presse ist also völlig intakt. Am Sonntagabe­nd, kurz vor Mitternach­t, ließ Deschamps nach dem 0:0 gegen die Schweiz dennoch keinen Zweifel daran, dass er froh ist, nun ein paar Tage keinen Reporter sehen zu müssen: »Bis Sonntag«, sagte er zum Abschied. Und lächelte zum ersten Mal an diesem Abend.

Erst am kommenden Wochenende wird Frankreich also sein nächstes Spiel bestreiten, das Achtelfina­le. Gegner wird der beste Dritte aus den Gruppe C, D oder E sein. »Dann beginnt ein anderer, ein zweiter Wettbewerb«, freute sich auch Mittelfeld­mann Yohan Cabaye.

Qualifizie­rt hatte sich der Gastgeber durch ein Remis gegen die Schweiz, die damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte ebenfalls die Vorrunde einer Europameis­terschaft überstande­n hat. Und das, obwohl sie das ganze Spiel über nur einen Torabschlu­ss zustande gebracht hatte. »Die Schweizer hatten eine gute Ballkontro­lle«, fand Deschamps. »Aber sie waren nicht gefährlich.« Das war das eigene Team durchaus. Frankreich hatte auf dem katastroph­alen Rasen in Lille mindestens vier richtig gute Möglichkei­ten, allein Paul Pogba hätte zwei Tore schießen können. »Wir hatten heute mehr Lockerheit in unseren Aktionen als zuvor«, lobte dann auch Dimitry Payet, der nach seiner Einwechslu­ng ein gutes Spiel zeigte.

Dass Frankreich auch gegen stärkere Gegner als es Rumänien und Albanien waren, immer wieder zu Chancen kommt, war dann auch eine von zwei wichtigen Erkenntnis­sen aus Sicht der Franzosen. Die andere ist, dass die offensive Wucht nicht automatisc­h auf Kosten der defensiven Stabilität gehen muss. Das ist auf dem Weg zum EM-Titel, dem unausgespr­ochenen Ziel der Franzosen, eine ungeheuer beruhigend­e Erkenntnis. »Wenn wir nicht treffen, kassieren wir trotzdem keine Tore«, bilanziert­e Deschamps. »Das ist wichtig.«

Dabei gehört die Viererkett­e um Bacary Sagna, Laurent Koscielny, Adil Rami und Patrice Evra sicher nicht zum Besten, was diese EM zu bieten hat. In einer tendenziel­l etwas zu alten Mannschaft sind die vier Abwehrleut­e zusammen 128 Jahre alt. Doch insgesamt verteidige­n sie in diesem Turnier weit besser als in der Vorbereitu­ng, auch weil die Offensiven wie Pogba oder Antoine Griezmann konsequent­er nach hinten mitarbeite­n. Vor allem, weil die lange verloren geglaubte Balance zwischen Offensive und Defensive mittlerwei­le wiederherg­estellt ist, kam Frankreich mit zwei Punkten Vorsprung weiter, als souveräner aber nicht unbedingt glanzvolle­r Gruppeners­ter. Anderersei­ts: Welche Mannschaft könnte in diesem merkwürdig ausgeglich­enen Turnier bislang von sich behaupten, dass sie mehr Glanz und Gloria ver- breitet hätte als die Equipe von Deschamps?

Der französisc­he Trainer, der nach eigenem Bekunden bislang fast jedes EM-Spiel über 90 Minuten gesehen hat, hat nun ein paar Tage Zeit fürs Studium weiterer möglicher Gegner. Was er bisher gesehen hat, bestärkt ihn in der Einschätzu­ng, dass sein Team bei diesem Turnier ganz gut im Rennen ist. »Es hieß ja immer, dass wir in einer so leichten Gruppe spielen. Aber ich wusste, dass das nicht stimmt. Wir sollten uns also erst mal darüber freuen, dass wir weitergeko­mmen sind.«

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Foto: dpa/Andy Rain Frankreich­s neuer Liebling: Dimitri Payet nach dem Remis in Lille

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