Unverbindliche Wünsche
DIE LINKE stellt ihr Sondervotum zum Staatsopern-Untersuchungsausschuss vor
Ein Wunschtermin des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) war der Anfang allen Übels beim Staatsopernumbau. Die Linkspartei kritisiert zudem das Aufsplitten der Bauplanung. Erst planen, dann bauen, das ist die Reihenfolge, die unbedingt eingehalten werden sollte. Bei dem als Sanierung der Staatsoper deklarierten Komplettumbau wurde dieser Grundsatz zum wiederholten Male nicht eingehalten. Und so lagen die vermuteten Baukosten im Mai 2015 bei 400 Millionen Euro statt der ursprünglich avisierten 239 Millionen. Wie viel der hochkulturelle Spaß am Ende tatsächlich kosten wird, ist noch nicht bekannt.
»Die Grundsuppe des Übels ist die Planungsphase«, sagt an diesem Dienstagvormittag dann auch der LINKEN-Kulturpolitiker Wolfgang Brauer bei der Vorstellung des Sondervotums seiner Fraktion zum Bericht des Untersuchungsausschusses, dessen Vorsitzender er war. Dieses Fazit des wegen der bei Einsetzung bereits fortgeschrittenen Legislatur nur ein Jahr tagenden Ausschusses hätte es nach Brauers Ansicht nicht gebraucht. Wenn nicht in zwei Beratungen mit über 100 Änderungsanträgen der Bericht am Schluss nicht »perforiert und in die Perforationen Bauschaum reingepustet« worden wäre.
»Eigentlich ist unser Sondervotum die Ursprungsfassung des Abschlussberichts«, sagt Brauer. Häufig sind es nur einzelne Worte, die verändert wurden. Durch die Aufsplittung der Bauplanung in vier Teilverfahren sei das Kostencontrollingelement »verloren gegangen«, heißt es im Bericht. Daraus wurde – nach dem Mehrheitsvotum von SPD und CDU im Ausschuss – ein »erschwert«.
Diese Aufteilung in vier Bauplanungsabschnitte hatte mehrere Konsequenzen: Bei Kostenüberschreitungen in einem Abschnitt ist es kaum möglich, diese durch Einsparungen in einem anderen Teil zu kompensieren. Zusätzlich wurde die entscheidende Planungsunterlage erst am 13. Juli 2011 bestätigt. Baustart war allerdings bereits im Herbst 2010.
Wie kam es ursprünglich zu der Teilung? Das liegt an dem aus Sicht vieler einflussreicher Opernfreunde unglücklichen Ausschreibungsergebnis der Generalplanung. Der Siegerentwurf sah eine moderne Gestaltung des Zuschauerraums vor – sehr auch zum Missfallen des damaligen Kulturstaatssekretärs André Schmitz (SPD).
»Dabei war allen klar, dass die Vorgaben nicht eins zu eins umzusetzen sind«, sagt Brauer. »Akustik und Sichtachsen verbessern, im Kostenrahmen bleiben und den Denkmal- schutz einhalten: Da muss was auf der Strecke bleiben.«
Schließlich wurde die Ausschreibung abgebrochen. Doch ein Problem blieb. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wünschte sich eine Eröffnung am 3. Oktober 2013. Den Wunsch formulierte er nicht in einem verwaltungsrechtlich verbindlichen Sinne, sondern mündlich. Die Verwaltung verstand und kam auf die Idee mit den
Wolgang Brauer (LINKE)
Teilplanungen. Und das Abgeordnetenhaus gab die Gelder frei, obwohl dies ausdrücklich erst nach abgeschlossener Gesamtplanung erlaubt ist. Wowereit gab sich im Untersuchungsausschuss sehr überrascht, dass einfache Wünsche seinerseits eine derartige Dienstbeflissenheit bei seinen Untergebenen auslösen.
Aber auch andere haben es vermieden, verantwortlich gemacht werden zu können. »Wir haben so gut wie kein Papier gefunden, das die Unterschrift der damaligen Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) trägt«, so Brauer. Konkret werde es erst auf der Ebene der Abteilungslei- ter Hochbau. Wieder anderen war ihre rechtliche Rolle unklar. »Kulturstaatssekretär Schmitz musste vom Untersuchungsausschuss darauf aufmerksam gemacht werden, dass er der Bedarfsträger war«, sagt Brauer. »Das ist die unbefleckte Empfängnis Berliner Bauten.« Man könnte es auch organisierte Verantwortungslosigkeit nennen.
Die Bauverwaltung selbst hat durchaus immer wieder versucht, den gesetzlichen Standards zu genügen. So forderte sie von der Staatsoper mehrmals die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsberechnung für die neu erstellten großen unterirdischen Räume ein – vergebens. Auch die Opernstiftung biss mit diesem Wunsch auf Granit. »Der Haushaltsgesetzgeber ist gut beraten, nicht einen Cent freizugeben, solange Bauund Finanzierungsplanung nicht abgeschlossen sind«, lautet Brauers Fazit. Auch das hört man leider nicht zum ersten Mal.
Dass eine neue Kultur bei Bauprojekten einziehen muss, verdeutlicht die lange Liste der anstehenden Umbaumaßnahmen. Das Kongresszentrum ICC, die Landesbibliothek, die Komische Oper und viele Brücken müssen saniert oder neu gebaut werden. Von der Idee eines neuen Baucontrollingausschusses hält Brauer nichts. »Dazu fehlen den Parlamentariern Sachkenntnis und Personalapparat.«
»Das ist die unbefleckte Empfängnis Berliner Bauten.«