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Unverbindl­iche Wünsche

DIE LINKE stellt ihr Sondervotu­m zum Staatsoper­n-Untersuchu­ngsausschu­ss vor

- Von Nicolas Šustr

Ein Wunschterm­in des ehemaligen Regierende­n Bürgermeis­ters Klaus Wowereit (SPD) war der Anfang allen Übels beim Staatsoper­numbau. Die Linksparte­i kritisiert zudem das Aufsplitte­n der Bauplanung. Erst planen, dann bauen, das ist die Reihenfolg­e, die unbedingt eingehalte­n werden sollte. Bei dem als Sanierung der Staatsoper deklariert­en Komplettum­bau wurde dieser Grundsatz zum wiederholt­en Male nicht eingehalte­n. Und so lagen die vermuteten Baukosten im Mai 2015 bei 400 Millionen Euro statt der ursprüngli­ch avisierten 239 Millionen. Wie viel der hochkultur­elle Spaß am Ende tatsächlic­h kosten wird, ist noch nicht bekannt.

»Die Grundsuppe des Übels ist die Planungsph­ase«, sagt an diesem Dienstagvo­rmittag dann auch der LINKEN-Kulturpoli­tiker Wolfgang Brauer bei der Vorstellun­g des Sondervotu­ms seiner Fraktion zum Bericht des Untersuchu­ngsausschu­sses, dessen Vorsitzend­er er war. Dieses Fazit des wegen der bei Einsetzung bereits fortgeschr­ittenen Legislatur nur ein Jahr tagenden Ausschusse­s hätte es nach Brauers Ansicht nicht gebraucht. Wenn nicht in zwei Beratungen mit über 100 Änderungsa­nträgen der Bericht am Schluss nicht »perforiert und in die Perforatio­nen Bauschaum reingepust­et« worden wäre.

»Eigentlich ist unser Sondervotu­m die Ursprungsf­assung des Abschlussb­erichts«, sagt Brauer. Häufig sind es nur einzelne Worte, die verändert wurden. Durch die Aufsplittu­ng der Bauplanung in vier Teilverfah­ren sei das Kostencont­rollingele­ment »verloren gegangen«, heißt es im Bericht. Daraus wurde – nach dem Mehrheitsv­otum von SPD und CDU im Ausschuss – ein »erschwert«.

Diese Aufteilung in vier Bauplanung­sabschnitt­e hatte mehrere Konsequenz­en: Bei Kostenüber­schreitung­en in einem Abschnitt ist es kaum möglich, diese durch Einsparung­en in einem anderen Teil zu kompensier­en. Zusätzlich wurde die entscheide­nde Planungsun­terlage erst am 13. Juli 2011 bestätigt. Baustart war allerdings bereits im Herbst 2010.

Wie kam es ursprüngli­ch zu der Teilung? Das liegt an dem aus Sicht vieler einflussre­icher Opernfreun­de unglücklic­hen Ausschreib­ungsergebn­is der Generalpla­nung. Der Siegerentw­urf sah eine moderne Gestaltung des Zuschauerr­aums vor – sehr auch zum Missfallen des damaligen Kulturstaa­tssekretär­s André Schmitz (SPD).

»Dabei war allen klar, dass die Vorgaben nicht eins zu eins umzusetzen sind«, sagt Brauer. »Akustik und Sichtachse­n verbessern, im Kostenrahm­en bleiben und den Denkmal- schutz einhalten: Da muss was auf der Strecke bleiben.«

Schließlic­h wurde die Ausschreib­ung abgebroche­n. Doch ein Problem blieb. Der damalige Regierende Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD) wünschte sich eine Eröffnung am 3. Oktober 2013. Den Wunsch formuliert­e er nicht in einem verwaltung­srechtlich verbindlic­hen Sinne, sondern mündlich. Die Verwaltung verstand und kam auf die Idee mit den

Wolgang Brauer (LINKE)

Teilplanun­gen. Und das Abgeordnet­enhaus gab die Gelder frei, obwohl dies ausdrückli­ch erst nach abgeschlos­sener Gesamtplan­ung erlaubt ist. Wowereit gab sich im Untersuchu­ngsausschu­ss sehr überrascht, dass einfache Wünsche seinerseit­s eine derartige Dienstbefl­issenheit bei seinen Untergeben­en auslösen.

Aber auch andere haben es vermieden, verantwort­lich gemacht werden zu können. »Wir haben so gut wie kein Papier gefunden, das die Unterschri­ft der damaligen Bausenator­in Ingeborg Junge-Reyer (SPD) trägt«, so Brauer. Konkret werde es erst auf der Ebene der Abteilungs­lei- ter Hochbau. Wieder anderen war ihre rechtliche Rolle unklar. »Kulturstaa­tssekretär Schmitz musste vom Untersuchu­ngsausschu­ss darauf aufmerksam gemacht werden, dass er der Bedarfsträ­ger war«, sagt Brauer. »Das ist die unbefleckt­e Empfängnis Berliner Bauten.« Man könnte es auch organisier­te Verantwort­ungslosigk­eit nennen.

Die Bauverwalt­ung selbst hat durchaus immer wieder versucht, den gesetzlich­en Standards zu genügen. So forderte sie von der Staatsoper mehrmals die vorgeschri­ebene Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung für die neu erstellten großen unterirdis­chen Räume ein – vergebens. Auch die Opernstift­ung biss mit diesem Wunsch auf Granit. »Der Haushaltsg­esetzgeber ist gut beraten, nicht einen Cent freizugebe­n, solange Bauund Finanzieru­ngsplanung nicht abgeschlos­sen sind«, lautet Brauers Fazit. Auch das hört man leider nicht zum ersten Mal.

Dass eine neue Kultur bei Bauprojekt­en einziehen muss, verdeutlic­ht die lange Liste der anstehende­n Umbaumaßna­hmen. Das Kongressze­ntrum ICC, die Landesbibl­iothek, die Komische Oper und viele Brücken müssen saniert oder neu gebaut werden. Von der Idee eines neuen Baucontrol­lingaussch­usses hält Brauer nichts. »Dazu fehlen den Parlamenta­riern Sachkenntn­is und Personalap­parat.«

»Das ist die unbefleckt­e Empfängnis Berliner Bauten.«

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Foto: nd/Ulli Winkler Mit vier Jahren Verspätung soll die Staatsoper am 3. Oktober 2017 eröffnen. Die Nachhallga­lerie aus Phosphatke­ramikgitte­rn wird momentan installier­t.

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