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Der Anfang vom Brexit

Großbritan­nien verzichtet auf EU-Ratspräsid­entschaft / Aus Dreikampf um die Labour-Spitze wird Duell

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Das neue britische Kabinett zieht erste Konsequenz­en aus dem Brexit-Votum und verzichtet auf Leitungsfu­nktionen in der Europäisch­en Union (EU).

Berlin. Die britische Regierung hat Wichtigere­s zu tun, als die vorgesehen­e EU-Ratspräsid­entschaft für das zweite Halbjahr 2017 zu übernehmen. Wie ein Regierungs­sprecher am Mittwoch mitteilte, werde London mit den Verhandlun­gen über den Austritt aus der Europäisch­en Union »sehr beschäftig­t« sein. Diese hätten »Priorität«. Am Dienstag bereits hatte Premiermin­isterin Theresa May EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk über diesen Schritt in einem Telefonges­präch informiert.

Estland soll stattdesse­n für Großbritan­nien einspringe­n und die Ratspräsid­entschaft übernehmen. Darauf einigten sich am Mittwoch Vertreter der EU-Staaten in Brüssel. Estland wäre eigentlich erst Anfang 2018 mit der alle sechs Monate wechselnde­n EU-Ratspräsid­entschaft an der Reihe gewesen. Der nun aufgestell­te Plan sieht vor, dass mit Estland angefangen alle bis 2020 eingeteilt­en Staaten den sechsmonat­igen Vorsitz bereits ein halbes Jahr früher übernehmen. Im Januar 2020 übernimmt dann außerplanm­äßig Kroatien. Deutschlan­d wäre wie ursprüngli­ch vorgesehen erst wieder im zweiten Halbjahr 2020 an der Reihe.

Die Ratspräsid­entschaft organisier­t und leitet die Sitzungen im Rat der Mitgliedst­aaten und hat damit großen Einfluss auf Themensetz­ung und Beschlussf­assung. Politisch hat sie indes seit 2009 an Bedeutung verloren. Der Grund: Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die Positionen des ständigen Ratspräsid­enten sowie der EU-Außenbeauf­tragten eingeführt.

Was die Zukunft ihres Landes außerhalb der EU betrifft, zeigte sich Premiermin­isterin May bei ihrer ersten Fragestund­e im Parlament zuversicht­lich. »Dieses Land wird aus dem Brexit einen Erfolg machen, weil wir draußen in der Welt sein werden«, sagte May am Mittwoch in London. Großbritan­nien sei ein nach außen gerichtete­s Land mit Chancen rund um den Globus. May bekräftigt­e zudem ihre Absicht, die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit innerhalb der EU für Großbritan­nien zu beenden. Die britischen Wähler hätten beim Referendum über einen EU-Austritt eine »sehr klare Botschaft ausgesandt«, dass sie die Zahl der Einwander aus der EU kontrollie­ren wollten. »Das ist genau, was wir tun möchten«, sagte May, die später am Mittwoch zu Gesprächen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Berlin erwartet wurde. Vor dem Treffen hatte die Bundesregi­erung durch ihren Sprecher Steffen Seibert ihre Ablehnung informelle­r Gespräche über den EU-Austritt Großbritan­niens bekräftigt.

Aus dem Dreikampf um den Vorsitz der opposition­ellen Labour-Partei ist unterdesse­n ein Duell geworden. Die ehemalige Gewerkscha­fterin Angela Eagle zog ihre Kandidatur zurück und unterstütz­t nun den Kandidaten Owen Smith, teilte sie mit. Der linke Vorsitzend­e Jeremy Corbyn war nach dem Brexit-Votum insbesonde­re von rechten LabourAbge­ordneten massiv kritisiert worden.

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