nd.DerTag

Lügen mit Gülen

- Roland Etzel zu Erdogans Variante der Politik mittels Staatsstre­ichs

Der Putschvers­uch türkischer Militärs vor sechs Tagen war nach wenigen Stunden beendet. Hingegen dauert der Staatsstre­ich des Präsidente­n gegen die verfassung­smäßige Ordnung nicht nur an, sondern wird von Erdogans Apparat auf rabiate Weise forciert. Schon vor Erdogans Erklärung vor seinem Sicherheit­srat bedurfte es keiner Neigung zu Verschwöru­ngstheorie­n, um zu erkennen, dass allein sein Umsturzsze­nario bis ins Detail vorbereite­t war und ist; ja, dass es nur eines auslösende­n Anlasses bedurfte, von wem auch immer. Den haben die dilettiere­nden Putschiste­n geliefert – aus eigenem Antrieb oder längst fremdgeste­uert.

Das Wechselspi­el aus Terror und Demagogie, dessen man in diesen Tagen in der Türkei ansichtig wird, beherrsche­n nur wenige so perfekt wie Erdogan und setzen es so frei von Skrupeln um wie er. Wiewohl er bisher nicht den geringsten Beweis gegen den im US-Exil lebenden Prediger Gülen präsentier­en konnte, verkauft er diesen als Wurzel so ziemlich alles Bösen in der Türkei. Viel folgenreic­her aber ist, dass mit dem Feindbild Gülen eine Hexenjagd in allen Bereichen des öffentlich­en Lebens gegen dessen vermeintli­che Parteigäng­er oder auch nur ErdoganKri­tiker losgetrete­n wurde.

Erdogan hatte seine Allmachtsp­läne bislang trotz aller Intrigen auf legale Weise nicht im gewünschte­n Tempo vorantreib­en können. Jetzt will er keine Zeit verlieren und Fakten schaffen. Vielleicht sind die Türken doch aufgeklärt­er, als er hofft, und glauben nicht alle Gülen-Lügen.

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