nd.DerTag

Imam gegen Diskrimini­erung

Diskussion über Homosexual­ität und Islam in Neuköllner Dar-Assalam-Moschee

- Von Nicolas Šustr

Schwule und Islam gelten nicht als Traumpaar. Aber reden geht.

Schwule haben in der muslimisch­en Community keinen leichten Stand. Ein Imam glaubt, dass die Gemeinde offener werde.

Schwule und Moslems sind in der allgemeine­n Wahrnehmun­g nicht unbedingt eine Traumpaaru­ng. Da gibt es gegenseiti­ge Vorbehalte, und beide Minderheit­en leiden unter Islamophob­ie und Homophobie. Dann gibt es auch noch Menschen, die beide Gruppen gleicherma­ßen ablehnen. An diesem Dienstagab­end empfing Imam Mohammed Taha Sabri in der Dar-Assalam-Moschee in der Neuköllner Flughafens­traße zur Diskussion.

Seitdem viele Flüchtling­e in der Umgebung untergebra­cht wurden, stehenden die Betenden freitags bis auf den Bürgerstei­g. Gebetstepp­iche werden auch mal provisoris­ch durch flachgeleg­te Kartons ersetzt. Bis zu 1500 Menschen kommen zum Hauptgebet der Woche, 500 mehr als vorher. Die Neuköllner Bezirksbür­germeister­in Franziska Giffey (SPD) oder der CDU-Politiker Burkhard Dregger zum Beispiel. 2015 wurde Imam Taha Sabri sogar der Landesverd­ienstorden verliehen. Anderersei­ts waren vor mehreren Jahren auch umstritten­e sehr konservati­ve bis islamistis­che Prediger zu Gast.

Bernhard Heider vom Verein »Leadership Berlin«, der den Austausch initiiert hat, erzählt, dass Beamte der zuständige­n Polizeidir­ektion die Moschee als Partner empfahlen, die sich gegen Radikalisi­erung und Extremismu­s engagiert. Der Verein wendet sich an Führungskr­äfte, die Verantwort­ung für die Gesellscha­ft über- nehmen. Er organisier­te einen ähnlichen Austausch bereits 2014 mit der Şehitlik-Moschee, der damals hohe Wellen bis in die Türkei warf.

»Es haben mir zwei, drei Gemeindemi­tglieder gesagt, dass sie schwul sind. Vielleicht bin ich der Einzige der das von ihnen weiß«, berichtet der Imam. »Es gibt eine starke Ablehnung in der arabisch-muslimisch­en Community.« Es sei eine Sünde aus islamische­r Sicht, Alkohol trinken sei das jedoch auch. Auch die Gebete von Sündern würden aber erhört.

Werden Muslime akzeptiert, lautete die nächste Frage. »Ja, aber bitte zeig das nicht – das ist mein Eindruck«, sagt Werner Gräßle, Präsident des Lichtenber­ger Amtsgerich­ts, einer der Diskutante­n. Das gehe übrigens Schwulen häufig nicht anders, diese Erfahrung habe er immer wieder gemacht. »Juden geht es auch nicht anders«, sagt Taha Sabri. der auch schon Rabbis und christlich­e Prediger in die Moschee einlud und sich für die Verlegung von Stolperste­inen einsetzte, die an ermordete Juden erinnern. Er sei deswegen auf offener Straße bereits verprügelt worden.

»Durch Geduld und Aufklärung ist vieles zur Normalität geworden«, sagt Taha Sabri. Er hat den Eindruck, dass die Muslime in Deutschlan­d offener werden für die Fragen und die Gesellscha­ft dieses Landes. Immerhin seien viele in der dritten Generation hier. »Als wir vor fast zehn Jahren mit der Moschee anfingen, kamen 70 Leute zum Gebet, nun sind es 1500. Das sehe ich als Bestätigun­g für unseren Kurs.« Er selbst habe auch bei mindestens zwei Predigten für Akzeptanz von Homosexuel­len geworben. »Man muss solche Prozesse sorgfältig, langsam und nicht schockarti­g angehen«, sagt er und fordert Unterstütz­ung bei der Integratio­nsarbeit, die seine Gemeinde leiste.

»Ich glaube die großen Veränderun­gen in der Gesellscha­ft kamen durch die Säkularisi­erung. Die Kirche spielt einfach nicht mehr die Rolle. Das sehe ich als Hoffnung«, so lautet das Fazit von Jürgen Herzog, ein Teilnehmer der Diskussion.

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Foto: imago/ND Imam Taha Sabri (r.) verlangt Offenheit von seiner Gemeinde.

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