Imam gegen Diskriminierung
Diskussion über Homosexualität und Islam in Neuköllner Dar-Assalam-Moschee
Schwule und Islam gelten nicht als Traumpaar. Aber reden geht.
Schwule haben in der muslimischen Community keinen leichten Stand. Ein Imam glaubt, dass die Gemeinde offener werde.
Schwule und Moslems sind in der allgemeinen Wahrnehmung nicht unbedingt eine Traumpaarung. Da gibt es gegenseitige Vorbehalte, und beide Minderheiten leiden unter Islamophobie und Homophobie. Dann gibt es auch noch Menschen, die beide Gruppen gleichermaßen ablehnen. An diesem Dienstagabend empfing Imam Mohammed Taha Sabri in der Dar-Assalam-Moschee in der Neuköllner Flughafenstraße zur Diskussion.
Seitdem viele Flüchtlinge in der Umgebung untergebracht wurden, stehenden die Betenden freitags bis auf den Bürgersteig. Gebetsteppiche werden auch mal provisorisch durch flachgelegte Kartons ersetzt. Bis zu 1500 Menschen kommen zum Hauptgebet der Woche, 500 mehr als vorher. Die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) oder der CDU-Politiker Burkhard Dregger zum Beispiel. 2015 wurde Imam Taha Sabri sogar der Landesverdienstorden verliehen. Andererseits waren vor mehreren Jahren auch umstrittene sehr konservative bis islamistische Prediger zu Gast.
Bernhard Heider vom Verein »Leadership Berlin«, der den Austausch initiiert hat, erzählt, dass Beamte der zuständigen Polizeidirektion die Moschee als Partner empfahlen, die sich gegen Radikalisierung und Extremismus engagiert. Der Verein wendet sich an Führungskräfte, die Verantwortung für die Gesellschaft über- nehmen. Er organisierte einen ähnlichen Austausch bereits 2014 mit der Şehitlik-Moschee, der damals hohe Wellen bis in die Türkei warf.
»Es haben mir zwei, drei Gemeindemitglieder gesagt, dass sie schwul sind. Vielleicht bin ich der Einzige der das von ihnen weiß«, berichtet der Imam. »Es gibt eine starke Ablehnung in der arabisch-muslimischen Community.« Es sei eine Sünde aus islamischer Sicht, Alkohol trinken sei das jedoch auch. Auch die Gebete von Sündern würden aber erhört.
Werden Muslime akzeptiert, lautete die nächste Frage. »Ja, aber bitte zeig das nicht – das ist mein Eindruck«, sagt Werner Gräßle, Präsident des Lichtenberger Amtsgerichts, einer der Diskutanten. Das gehe übrigens Schwulen häufig nicht anders, diese Erfahrung habe er immer wieder gemacht. »Juden geht es auch nicht anders«, sagt Taha Sabri. der auch schon Rabbis und christliche Prediger in die Moschee einlud und sich für die Verlegung von Stolpersteinen einsetzte, die an ermordete Juden erinnern. Er sei deswegen auf offener Straße bereits verprügelt worden.
»Durch Geduld und Aufklärung ist vieles zur Normalität geworden«, sagt Taha Sabri. Er hat den Eindruck, dass die Muslime in Deutschland offener werden für die Fragen und die Gesellschaft dieses Landes. Immerhin seien viele in der dritten Generation hier. »Als wir vor fast zehn Jahren mit der Moschee anfingen, kamen 70 Leute zum Gebet, nun sind es 1500. Das sehe ich als Bestätigung für unseren Kurs.« Er selbst habe auch bei mindestens zwei Predigten für Akzeptanz von Homosexuellen geworben. »Man muss solche Prozesse sorgfältig, langsam und nicht schockartig angehen«, sagt er und fordert Unterstützung bei der Integrationsarbeit, die seine Gemeinde leiste.
»Ich glaube die großen Veränderungen in der Gesellschaft kamen durch die Säkularisierung. Die Kirche spielt einfach nicht mehr die Rolle. Das sehe ich als Hoffnung«, so lautet das Fazit von Jürgen Herzog, ein Teilnehmer der Diskussion.