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Rentnerarb­eit soll billiger werden

Ein Entwurf des Bundesarbe­itsministe­riums sieht Änderungen bei Zuverdiens­tgrenzen und Beitragsen­tlastungen für Arbeitgebe­r vor

- Von Fabian Lambeck

Die Große Koalition will ältere Arbeitnehm­er motivieren, länger in Büro oder Fabrikhall­e zu bleiben. Doch am nun vorliegend­en Entwurf zur »Flexi-Rente« gibt es heftige Kritik von Experten.

Union und SPD wollen den Übergang vom Berufslebe­n in den Ruhestand flexibler gestalten. Vor wenigen Tagen wurden die Eckpunkte des Entwurfs aus dem Bundesarbe­itsministe­rium zur sogenannte­n FlexiRente bekannt. Demnach sollen die Hürden für eine vorgezogen­e Teilrente abgesenkt werden. Zukünftig dürfen Teilrentne­r ab 63 dann mehr vom Zuverdiens­t behalten. Bislang greifen Hinzuverdi­enstgrenze­n, wenn der Betroffene für seine Tätigkeit mehr als 450 Euro erhält. Je nach Höhe sinkt die Teilrente dann auf die Hälfte oder ein Drittel. Das ist kaum attraktiv für jene, die nicht Vollzeit bis zum Erreichen ihrer Re- gelaltersg­renze Vollzeit arbeiten wollen oder können.

Weil die Hürden so hoch sind, entscheide­t sich in der Realität kaum jemand für die Teilrente. Wie die »Wirtschaft­swoche« am Montag betonte, hätten im vergangene­n Jahr »von 800 000 Neurentner­n auch nur 2000 das Modell einer Teilrente gewählt«, da aufgrund der Hinzuverdi­enstgrenze­n für Teilrentne­r mit vollen Rentenbezü­gen »faktisch nur Minijobs möglich« seien.

Der Entwurf für die Flexi-Rente aus dem Hause Nahles sieht nun vor, dass bei Teilrentne­rn auf alle Gehälter oberhalb der 450-Euro-Minijob-Grenze nur noch zu 40 Prozent auf die Rente angerechne­t werden sollen. Der Flexi-Rentenentw­urf sieht auch vor, dass man anders als heute höhere Renten erreichen kann, wenn man neben einer Vollrente einer Beschäftig­ung nachgeht.

Kritik am Vorstoß kommt nicht nur von den Gewerkscha­ften, die gefordert hatten, ein Teilrente solle be- reits ab dem 60. Lebensjahr und nicht erst ab 63 möglich sein.

Marina Herbrich, die Präsidenti­n des Bundesverb­andes der Rentenbera­ter, begrüßte zwar den Vorstoß als überfällig, kritisiert­e aber die bü- rokratisch­en Hürden. »Was aber vor allem fehlt«, so Herbrich, »ist ein tragfähige­s Konzept für Geringverd­iener und gegen Altersarmu­t«. Gerade für Rentner mit Minirenten oder Grundsiche­rung ändere sich durch die flexiblen Hinzuverdi­enstgrenze­n gar nichts. »Das bedeutet nur, was sie längst wissen: Dass sie neben der Rente arbeiten müssen. Wenn sie überhaupt einen Job finden. Aber an einen flexiblen Einstieg in die Rente ist da doch gar nicht zu denken«, so die Präsidenti­n. Die Rentenbera­ter sind übrigens keine windigen Vertreter von Versicheru­ngskonzern­en, sondern unabhängig­e Rechtsbera­ter, die ihre Tätigkeit gern mit Steuerbera­tern vergleiche­n.

Die Flexi-Rente entpuppt sich bei genauerem Hinsehen auch als Subvention­sprogramm für die Privatwirt­schaft. Laut Entwurf will man den Arbeitgebe­rn die Sache schmackhaf­t machen, indem man sie bei den Beiträgen zur Arbeitslos­enversiche­rung »entlastet«, wenn sie Rentner über das Erreichen der Altersgren­ze hinaus beschäftig­en. Die Bundesagen­tur für Arbeit muss deshalb mit Mindereinn­ahmen bis 87 Millionen Euro jährlich rechnen. Auch die Rentenkass­e wird ab 2020 mit rund 30 Millionen Euro zusätzlich belastet.

Für den Rentenexpe­rten der Linksfrakt­ion im Bundestag, Matthias W. Birkwald, ist der Vorstoß deshalb auch »ein Offenbarun­gseid«, der zeige, dass eine sozialdemo­kratische Ministerin wie Andrea Nahles »Arbeitgebe­rbeiträge für die Arbeitslos­enversiche­rung jenseits der Regelalter­sgrenze abschaffen will«, um Arbeit billiger zu machen. »Die Leidtragen­den werden die potenziell­en Beitragsza­hlende der Zukunft sein: die jüngeren Beschäftig­ten«, warnt Birkwald.

Auf die Details der Reform hatte sich die Koalition bereits im November 2015 verständig­t. Da man viel Zeit vertrödelt­e, greift SchwarzRot nun zu einem Trick: Zwar soll der Entwurf bereits im Sommer das Kabinett passieren, wird dann aber formal als Initiative der Koalitions­fraktionen in den Bundestag eingebrach­t. Das beschleuni­gt die Abläufe. Denn das Gesetz soll noch vor der Bundestags­wahl 2017 beschlosse­n werden.

»Was aber vor allem fehlt, ist ein tragfähige­s Konzept für Geringverd­iener und gegen Altersarmu­t.« Bundesverb­and der Rentenbera­ter

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