nd.DerTag

Vorauseile­nder Gehorsam

- Kurt Stenger über das Klimaschut­zpaket der EU-Kommission

Verbindlic­he Klimaschut­zmaßnahmen waren bisher eine höchst einseitige Angelegenh­eit: Eigentlich betrafen sie nur den Energiesek­tor und energieint­ensive Industrien, wobei letztere auch noch mit vielen Ausnahmere­gelungen beglückt wurden. Kein Wunder also, dass trotz allen Politikerg­eredes die CO2Emissio­nen nur unmerklich reduziert wurden und die Erderwärmu­ng nahezu ungebremst voranschre­itet. Da ist es durchaus löblich, wenn die EU-Kommission jetzt den Blick auch auf die anderen großen Klimawande­lverursach­er richtet: die Landwirtsc­haft, den Gebäudeber­eich und den Verkehrsse­ktor.

Allerdings ist man in Brüssel erheblich fortschrit­tlicher als in vielen, vor allem osteuropäi­schen EU-Staaten. Dort sehen Regierunge­n den Klimaschut­z noch immer als Hemmschuh fürs Wirtschaft­swachstum und für heimische Industrien an. Deshalb ist mit sehr viel Gegenwind zu rechnen, zumal das britische Brexit-Votum mancherort­s als Freibrief für national-egoistisch­e Alleingäng­e verstanden wird. Darauf nimmt die EU-Kommission in vorauseile­ndem Gehorsam schon mal Rücksicht. Zahlreiche Schlupflöc­her wie Gutschrift­en fürs Aufforsten sollen ihr Klimaschut­zpaket den Regierunge­n schmackhaf­t machen. Das mag unter Kenntnis der realpoliti­schen und institutio­nellen Gegebenhei­ten in der EU unumgängli­ch erscheinen. Bei der Bekämpfung des Klimawande­ls darf auf solche Banalitäte­n keine Rücksicht genommen werden.

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