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Von Muslimvere­in bis CSU – alle einig

Deutschspr­achige Imame und Präventiva­rbeit in Moscheen sollen Radikalisi­erung verhindern helfen

- Von Fabian Köhler

Die CSU fordert, in Moscheen müsse Deutsch gesprochen werden. Und rennt damit bei Muslimen offene Türen ein.

Die Forderung der CSU klang nicht nach viel mehr als einer weiteren Episode im rechtspopu­listischen Ringen um Öffentlich­keit: Eine Deutsch-Pflicht für Moschee-Predigten hatte die Bundestags­gruppe der Partei vergangene Woche in der »Passauer Neuen Presse« gefordert. »Um Integratio­n zu fördern, sollten »Predigten überwiegen­d auf Deutsch gehalten werden oder ansonsten nachvollzi­ehbar sein«, hieß es in einem Positionsp­apier. Die Reaktionen waren erwartbar: Stimmen links der CSU empörten sich über die Stimmungsm­ache der Partei, ein paar Beschimpfu­ngen auf Twitter, dann war das nächste Thema dran.

Eine Woche später hat sich der »extreme Einfluss«, vor dem die CSU damals warnte, in einem bayerische­n Regionalex­press blutig manifestie­rt. Nach Würzburg und dem ersten Terroransc­hlag in Deutschlan­d, zu dem sich der IS bekannte, diskutiere­n nicht mehr nur Rechtspopu­listen: Wie kann man Anschläge in Deutschlan­d zukünftig verhindern? Wie kann man der Radikalisi­erung von Muslimen entgegenwi­rken?

Auf Twitter fragte Grünen-Chef Cem Özdemir: »Schrecklic­he Tat. Was treibt 17-Jährigen dazu? Welche Rolle spielt Islam bei Radikalisi­erung?« und verlangte »Alles muss auf den Tisch«. Bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag forderte Familienmi­nisterin Manuela Schwesig mehr Geld für Prävention­sprogramme. Und Berlins Integratio­nssenatori­n Dilek Kolat nahm Moscheen in die Pflicht: »Denn die Moscheen können Ort der Radikalisi­erung sein, können aber auch sehr gut Orte der Prävention sein, wenn sie mit uns an einem Strang ziehen.«

Hatte die CSU also vielleicht gar nicht so Unrecht, als sie in ihrem Positionsp­apier Moscheegem­einden und Islamverbä­nde auffordert­e, in ihren Gotteshäus­ern mehr Deutsch zu sprechen, und vor im Ausland ausgebilde­ten Imamen warnte? Jein. Denn, was die CSU als mutige Forderung gegenüber vermeintli­ch uneinsicht­igen Islamverbä­nden verpackte, ist in Wahrheit in der Welt islamische­r Interessen­vertretung­en längst Konsens.

»Für uns ist diese Forderung eigentlich kein Thema. Wir machen das schon seit 20 Jahren so«, sagt Asis Malik gegenüber »nd«. Malik sitzt im Vorstand der Hamburger Ahmadiyya-Gemeinde, die in Deutschlan­d rund 35 000 Muslime vertritt. Predigten würden in den Moscheen immer auf Deutsch und, wenn zum Verständni­s notwendig, einer zusätzlich­en Sprache wie Urdu, Hindi oder Arabisch gehalten. »Wir haben auch Dolmetsche­r, zur Not nimmt man einfach einen Kopfhörer. Das ist alles machbar«, sagt Malik.

Der Grund, warum es in den Ahmaddiya-Gemeinden »machbar« ist, heißt »Imamausbil­dung«. In einem eigenen Institut bildet die Gemeinde mittlerwei­le den vierten Jahrgang deutschspr­achiger Imame aus. Eine Imamausbil­dung in Deutschlan­d fordert auch die CSU in ihrem Positionsp­apier und rennt damit bei Islamverbä­nden offene Türen ein: Eine Ausbildung auf »Grundlage der deutschen Verfassung«, fordert nicht nur die CSU, sondern seit Jahren auch der Zentralrat der Muslime. Und auch der größte Islamverba­nd DITIB, dessen Imame bisher von der türkischen Religionsb­ehörde bezahlt und ausgebilde­t werden, hat sich schon vor Jahren zum Ziel der deutschen Imamausbil­dung bekannt: Im Jahr 2010 erarbeitet­en Bundesregi­erung und Islamverbä­nde im Rahmen der Islamkonfe­renz Konzepte zur Imamausbil­dung in Deutschlan­d.

Dass die Umsetzung immer wieder ins Stocken gerät, liegt nicht am mangelnden Willen oder am Thema. Stattdesse­n lähmen Diskussion­en über fehlende Gelder, Zuständigk­eiten und Lehrinhalt­e den Prozess mit dem Ziel deutschspr­achige Moscheepre­digten. Voran geht es trotz aller populistis­cher Zwischenru­fe und Bedenken dennoch: Mittlerwei­le gibt es an fünf deutschen Universitä­ten islamisch-theologisc­he Zentren. In Berlin sollen ab dem Winterseme­ster 2018/19 die ersten Imame ausgebilde­t werden.

Hatte die CSU also vielleicht gar nicht so Unrecht, als sie in ihrem Positionsp­apier Moscheegem­einden und Islamverbä­nde auffordert­e, in ihren Gotteshäus­ern mehr Deutsch zu sprechen und vor im Ausland ausgebilde­ten Imamen warnte? Jein.

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