Von Muslimverein bis CSU – alle einig
Deutschsprachige Imame und Präventivarbeit in Moscheen sollen Radikalisierung verhindern helfen
Die CSU fordert, in Moscheen müsse Deutsch gesprochen werden. Und rennt damit bei Muslimen offene Türen ein.
Die Forderung der CSU klang nicht nach viel mehr als einer weiteren Episode im rechtspopulistischen Ringen um Öffentlichkeit: Eine Deutsch-Pflicht für Moschee-Predigten hatte die Bundestagsgruppe der Partei vergangene Woche in der »Passauer Neuen Presse« gefordert. »Um Integration zu fördern, sollten »Predigten überwiegend auf Deutsch gehalten werden oder ansonsten nachvollziehbar sein«, hieß es in einem Positionspapier. Die Reaktionen waren erwartbar: Stimmen links der CSU empörten sich über die Stimmungsmache der Partei, ein paar Beschimpfungen auf Twitter, dann war das nächste Thema dran.
Eine Woche später hat sich der »extreme Einfluss«, vor dem die CSU damals warnte, in einem bayerischen Regionalexpress blutig manifestiert. Nach Würzburg und dem ersten Terroranschlag in Deutschland, zu dem sich der IS bekannte, diskutieren nicht mehr nur Rechtspopulisten: Wie kann man Anschläge in Deutschland zukünftig verhindern? Wie kann man der Radikalisierung von Muslimen entgegenwirken?
Auf Twitter fragte Grünen-Chef Cem Özdemir: »Schreckliche Tat. Was treibt 17-Jährigen dazu? Welche Rolle spielt Islam bei Radikalisierung?« und verlangte »Alles muss auf den Tisch«. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag forderte Familienministerin Manuela Schwesig mehr Geld für Präventionsprogramme. Und Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat nahm Moscheen in die Pflicht: »Denn die Moscheen können Ort der Radikalisierung sein, können aber auch sehr gut Orte der Prävention sein, wenn sie mit uns an einem Strang ziehen.«
Hatte die CSU also vielleicht gar nicht so Unrecht, als sie in ihrem Positionspapier Moscheegemeinden und Islamverbände aufforderte, in ihren Gotteshäusern mehr Deutsch zu sprechen, und vor im Ausland ausgebildeten Imamen warnte? Jein. Denn, was die CSU als mutige Forderung gegenüber vermeintlich uneinsichtigen Islamverbänden verpackte, ist in Wahrheit in der Welt islamischer Interessenvertretungen längst Konsens.
»Für uns ist diese Forderung eigentlich kein Thema. Wir machen das schon seit 20 Jahren so«, sagt Asis Malik gegenüber »nd«. Malik sitzt im Vorstand der Hamburger Ahmadiyya-Gemeinde, die in Deutschland rund 35 000 Muslime vertritt. Predigten würden in den Moscheen immer auf Deutsch und, wenn zum Verständnis notwendig, einer zusätzlichen Sprache wie Urdu, Hindi oder Arabisch gehalten. »Wir haben auch Dolmetscher, zur Not nimmt man einfach einen Kopfhörer. Das ist alles machbar«, sagt Malik.
Der Grund, warum es in den Ahmaddiya-Gemeinden »machbar« ist, heißt »Imamausbildung«. In einem eigenen Institut bildet die Gemeinde mittlerweile den vierten Jahrgang deutschsprachiger Imame aus. Eine Imamausbildung in Deutschland fordert auch die CSU in ihrem Positionspapier und rennt damit bei Islamverbänden offene Türen ein: Eine Ausbildung auf »Grundlage der deutschen Verfassung«, fordert nicht nur die CSU, sondern seit Jahren auch der Zentralrat der Muslime. Und auch der größte Islamverband DITIB, dessen Imame bisher von der türkischen Religionsbehörde bezahlt und ausgebildet werden, hat sich schon vor Jahren zum Ziel der deutschen Imamausbildung bekannt: Im Jahr 2010 erarbeiteten Bundesregierung und Islamverbände im Rahmen der Islamkonferenz Konzepte zur Imamausbildung in Deutschland.
Dass die Umsetzung immer wieder ins Stocken gerät, liegt nicht am mangelnden Willen oder am Thema. Stattdessen lähmen Diskussionen über fehlende Gelder, Zuständigkeiten und Lehrinhalte den Prozess mit dem Ziel deutschsprachige Moscheepredigten. Voran geht es trotz aller populistischer Zwischenrufe und Bedenken dennoch: Mittlerweile gibt es an fünf deutschen Universitäten islamisch-theologische Zentren. In Berlin sollen ab dem Wintersemester 2018/19 die ersten Imame ausgebildet werden.
Hatte die CSU also vielleicht gar nicht so Unrecht, als sie in ihrem Positionspapier Moscheegemeinden und Islamverbände aufforderte, in ihren Gotteshäusern mehr Deutsch zu sprechen und vor im Ausland ausgebildeten Imamen warnte? Jein.