Geldstrafe für Blockade an Gleis 157
Kohlegegner nach Pfingstprotesten gegen Vattenfall in Görlitz verurteilt
Ein Teilnehmer der Aktion »Ende Gelände«, bei der zu Pfingsten gegen die Verstromung von Braunkohle in der Lausitz protestiert wurde, ist zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt worden. Nach fast zwei Monaten in Untersuchungshaft ist ein Teilnehmer der Aktion »Ende Gelände« vom Amtsge- richt Görlitz zu einer Geldstrafe in Höhe von 1560 Euro verurteilt worden. Der 28-jährige Österreicher hatte sich gemeinsam mit drei anderen Klimaaktivisten an der Blockade eines Gleises beteiligt, das vom Tagebau Nochten in das Kraftwerk Schwarze Pumpe führt. Diese und weitere Störungen hatten Betreiber Vattenfall veranlasst, die Leistung des Kraftwerks zeitweilig zu drosseln. Das Gericht sah damit den Tatbestand der Störung ei- nes öffentlichen Betriebs sowie der Nötigung als erfüllt an.
Die Aktion am Pfingstwochenende war Teil von weltweiten Protesten gegen die klimaschädliche Verstromung von Braunkohle. In der Lausitz hatten sich daran rund 1000 Menschen beteiligt. Es kam zu spektakulären Maßnahmen wie der Besetzung des Tagebaus Welzow und einen Tag später zum Eindringen Hunderter Kohlegegner in das Kraftwerk. Weil dort die Kohlebunker nicht mehr gefüllt werden konnten, wurden ein Kraftwerksblock heruntergefahren und die Leistung eines zweiten um ein Drittel reduziert. Vattenfall beziffert den Schaden auf über eine Million Euro. Die Aktion sorgte bundesweit für Schlagzeilen.
Im konkreten Fall hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zunächst auch Hausfriedensbruch vorgeworfen und eine Betriebsstörung im besonders schweren Fall gesehen. Der junge Mann hatte seinen Arm in einem Rohr unter den Schienen verankert. Ein Vattenfall-Mitarbeiter schilderte vor Gericht, dass wegen der Blockade keine Kohlezüge mehr rollen konnten. Erst nach sechs Stunden wurde die Aktion von der Polizei beendet. Der Aktivist kam, nachdem er zunächst seine Identität nicht hatte preisgeben wollen, am Folgetag auf freien Fuß, wurde aber bei der Räumung eines Baumcamps einige Tage später erneut verhaftet. Weil er keine Angaben zu seinem Wohnort machte, landete er in Untersuchungshaft und kam erst nach dem Prozessauftakt vergangene Woche frei.
In der Verhandlung erwies sich der Vorwurf des Hausfriedensbruchs als haltlos, weil das Gelände des Tagebaus zwar durch Schilder und Schranken markiert, aber nicht vollständig eingezäunt ist. Auch eine besonders schwere Betriebsstörung sah die Anklage nicht mehr, nachdem klar wurde, dass die Leistung des Kraftwerks zum Zeitpunkt der Gleisblockade zunächst nur vorsorglich von 1300 auf 1000 Megawatt gedrosselt wurde. Dennoch plädierte der Staatsanwalt auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 Euro. Er sprach von unzulässigen »Überschreitungen« bei der politischen Meinungsäußerung und nannte den Aktivisten zudem uneinsichtig, weil dieser in einem Brief erklärt hatte, seinen »Kampf« weiter-
Die Aktion am Pfingstwochenende war Teil von weltweiten Protesten gegen die klimaschädliche Verstromung von Braunkohle.
führen zu wollen. Das Gericht legte die Geldstrafe auf 120 Tagessätze zu je 13 Euro fest, folgte aber daneben weitgehend der Argumentation der Anklage.
Verteidiger Christian Mertens nannte den Prozess dagegen ein »politisches Strafverfahren«. Er verglich die Klimaaktivisten mit dem »Idealbild« gewaltfreier Widerstandskämpfer und bewertete ihre Aktion als »klassische Sitzblockade«. Das sei nicht verboten. Sollte mit dem Protest in die Rechte von Vattenfall eingegriffen worden sein, so beeinträchtige der Energiekonzern durch den Ausstoß von Klimagasen ebenfalls und in gravierender Weise die Rechte vieler Menschen.