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Journalist­enmord im Zentrum Kiews

Pawel Scheremet arbeitete bei der investigat­iven »Ukrainskaj­a Pravda«

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Der aus Belarus stammende Journalist Pawel Scheremet ist am Mittwoch in Kiew durch eine Autobombe getötet worden. Die Polizei geht von einem politische­n Mord aus. »Die Explosion war sehr laut, es sah einfach fürchterli­ch aus«, berichten Augenzeuge­n, die am frühen Mittwochmo­rgen direkt in der Kiewer Innenstadt eine Schrecksze­ne beobachtet haben. Gegen 7.40 Uhr stieg der bekannte Journalist Pawel Scheremet in der Nähe seiner Wohnung in das Auto seiner Frau Olena Pritula, die ebenfalls Journalist­in ist. Wenig später erfolgte eine starke Explosion: Scheremets Auto brannte schnell aus, Notärzte konnten sein Leben nicht mehr retten.

»Ich kannte Pawel persönlich. Es ist eine schrecklic­he Tragödie. Ich bin schockiert«, twitterte der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o. Er berief sofort eine polizeilic­he Sondereinh­eit, die von der Chefin der neuen Nationalen Polizei, Chatija Dekanoidse, geführt wird. Sowohl die Polizei als auch die Staats- anwaltscha­ft ging schon Stunden nach der Tat fest von einem politisch motivierte­n Mord aus. »Dass der Grund des Mordes die profession­elle Tätigkeit war, ist unsere Hauptversi­on. Außerdem schließen wir den Versuch einer Destabilis­ierung der Lage in Kiew nicht aus«, kommentier­te Generalsta­atsanwalt Jurij Luzenko. Anton Geraschtsc­henko, Berater des Innenminis­ters Arsen Awakow, wollte zudem eine »russische Spur« nicht ausschließ­en.

Kollegen Scheremets vermuten einen Angriff gegen die Nachrichte­nseite »Ukrainska Pravda«, die für ihre investigat­iven Recherchen zum Thema Korruption bekannt ist. Scheremet und seine Frau Olena Pritula, als Gründungsr­edakteurin eine der zwei Chefs von »Ukrainska Pravda«, spielten beim Online-Medium seit Jahren die führende Rolle. Dies ist ist auch mit dem bekanntest­en Mord an einem Journalist­en in der Geschichte der Ukraine verbunden: Vor 16 Jahren wurde Georgij Gongadse, Gründer der Seite, brutal ermordet. Hinter der Tat soll der damalige Präsident Leonid Kutschma stehen, sie wurde allerdings nie aufgeklärt.

Der in Belarus geborene Pawel Scheremet galt als einer der größten Kritiker des belarussis­chen Präsidente­n Alexander Lukaschenk­o und musste im Jahr 1997 drei Monate in Haft verbringen. Nach seiner Freilassun­g ging er nach Russland und arbeitete dort unter anderem beim staatliche­n 1. Kanal. Seit fünf Jahren lebte und arbeitete der 44-Jährige in der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew. Scheremet ist der 69. Journalist, der seit 1992 in der Ukraine ermordet wurde.

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Foto: dpa Pawel Scheremet

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