Frankreich bis 2017 im Ausnahmezustand
Nationalversammlung berät zudem abschließend über die umstrittene Arbeitsmarktreform
Nach dem Terroranschlag in Nizza hat die Nationalversammlung die Verlängerung des Ausnahmezustandes bis 2017 beschlossen. Als Reaktion auf den jüngsten Terrorakt vom 14. Juli in Nizza hat die französische Nationalversammlung in der Nacht zum Mittwoch den im November 2015 nach den Anschlägen von Paris verhängten Ausnahmezustand zum vierten Mal verlängert. Das geschah mit großer Mehrheit, nur die Linksfront und die Grünen stimmten dagegen. Ursprünglich hatte die Regierung drei Monate vorgesehen, sie beugte sich dann aber dem Druck der rechten Opposition, die sechs Monate forderte. Damit gilt der Ausnahmezustand bis Ende Januar 2017.
Während seiner Dauer ist es einem Antrag der Rechten folgend der Polizei jetzt erlaubt, ohne richterliche Entscheidung und gegen den Protest von Reisenden deren Gepäck zu durchsuchen. Die sehr heftige und kontroverse Debatte wurde von den Abgeordneten der Oppositionspartei der Republikaner (LR) dazu benutzt, der Regierung Versagen bei der Bekämpfung des Terrorismus vorzuwerfen. »Sie haben es nicht verstanden, die Franzosen zu schützen«, erklärte Eric Ciotti, sicherheitspolitischer Sprecher der Republikaner. Der IR-Abgeordnete Laurent Wauquiez warf der Regierung »Feigheit gegenüber dem islamischen Kommunitarismus« vor. Er forderte ein Verbot des Salafismus, eine Offenlegung der ausländischen Finanziers für den Moscheenbau in Frankreich und die Ausweisung scharfmacherischer ausländischer Prediger.
Premierminister Manuel Valls verwahrte sich gegen die Vorwürfe, verteidigte die Sicherheitspolitik der Regierung und gab bekannt, dass in den zurückliegenden Monaten mehr als ein Dutzend schwerer Terroranschläge vorab aufgedeckt und verhindert werden konnten. Überdies teilte er mit, dass in Irak und Syrien bisher 187 französische Djihadisten den Tod fanden, dass sich noch 680 erwachsene Franzosen dort befinden und 203 nach Frankreich zurückgekehrt sind, wo sie in Haft genommen und Untersuchungsverfahren eingeleitet wurden.
Im Rahmen des Ausnahmezustands, so Valls weiter, stehen zurzeit 77 Personen unter Hausarrest. Bei insgesamt 3594 Hausdurchsuchungen, die die Polizei ohne Auftrag eines Richters vornehmen konnten, wurden 756 Waffen sichergestellt, davon 75 Kriegswaffen. Ferner wurden Un- tersuchungsverfahren gegen 600 Personen eingeleitet und an den Grenzen Frankreichs seit November 2015 insgesamt 48 Millionen Personen kontrolliert und 28 000 von ihnen wurde die Einreise verweigert.
Nachdem der Senat das Gesetz über die umstrittene Arbeitsrechtsreform am Dienstag ohne Debatte erneut abgelehnt hatte, kam es am Mittwoch (nach Redaktionsschluss dieser Seite) zur dritten und abschließenden Debatte und Abstimmung zurück in die Nationalversammlung. Die hat das letzte Wort und überstimmt damit das Votum des Senats, der zweiten Kam- mer des Parlaments. Doch da die Reform auch in der Nationalversammlung viele Gegner bis weit in die Fraktion der regierenden Sozialistischen Partei hat, will die Regierung das Votum mit der Vertrauensfrage verbinden. Diesem Verfahren nach Artikel 49-3 der Verfassung zufolge gilt das Gesetz als automatisch angenommen, wenn kein Misstrauensantrag eingebracht und von der Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet wurde. Damit ist nicht zu rechnen, weil die rechten und linken Kritiker der Regierung zwar eigene Misstrauensanträge stellen, aber nicht für den der anderen stimmen wollen. Damit scheint der Weg frei für die Arbeitsrechtsreform, die vor allem den Wünschen der Unternehmer nach Flexibilisierung des Arbeitsmarktes entspricht.
Nach einem Dutzend machtvoller Aktionstage mit Streiks und Demonstrationen in den zurückliegenden Monaten konnten die Gewerkschaften für diese letzte Runde nur eine kleine und eher symbolische Demonstration in der Nähe des Parlamentsgebäudes mobilisieren. Sie wollen sich aber mit der Niederlage nicht abfinden und kündigen bereits für den Herbst neue Aktionen an.