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Klimaschut­z mit Schlupflöc­hern

EU-Kommission schlägt Lastenteil­ung zum Erreichen der CO2-Reduktions­ziele bis 2030 vor

- Von Kurt Stenger

Die EU soll mit dem Übergang in eine kohlenstof­farme Wirtschaft beginnen. Dies soll das Ergebnis eines neuen umfangreic­hen Klimaschut­zpaketes sein.

Die EU-Kommission hat ein Paket von Maßnahmen vorgelegt, mit denen die Verringeru­ng der Treibhausg­asemission­en in allen Branchen der Wirtschaft beschleuni­gt werden soll. Damit soll der Kurs für Europas Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft vorgegeben werden. »Die EU hat ein ehrgeizige­s Ziel der Emissionsm­inderung aufgestell­t«, erklärte EU-Klimaschut­zkommissar Miguel Arias Cañete bei der Vorstellun­g des Pakets am Mittwoch in Brüssel.

Im Herbst 2014 hatten die Staatsund Regierungs­chefs der EU das Ziel aufgestell­t, die Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dies hat man auch im Weltklimaa­bkommen von Paris festschrei­ben lassen. Die Kommission konkretisi­ert nun, welche Ziele die einzelnen EU-Staaten zu verfolgen haben. Darüber dürfte es in den kommenden Monaten erhebliche Streitigke­iten im Ministerra­t und Europaparl­ament geben. Die Reduktions­ziele (2030 gegenüber 2005) reichen von 40 Prozent in Luxemburg und Schweden bis hin zu null Prozent in Bulgarien. Von Deutschlan­d wird eine Senkung um 38 Prozent verlangt.

Neu ist zudem: Bislang gab es als Klimaschut­zinstrumen­t nur den Emissionsh­andel, der aber lediglich die Energiewir­tschaft und energieint­ensive Industrie umfasste, wodurch rund 60 Prozent der Emissionen bisher außen vor blieben. Das soll sich nun durch ein System der »Lastenteil­ung« ändern: Die Brüsseler Vorschläge enthalten verbindlic­he nationale Jahresziel­e für den Zeitraum 2021-2030 auch für die Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtsc­haft, Abfall, Landnutzun­g und Forstwirt- schaft. Vorbereite­t wird in diesem Zusammenha­ng ein »Aktionspla­n für emissionsa­rme Mobilität«. Demnach soll der CO2-Ausstoß des Autoverkeh­rs bis 2050 um 60 Prozent gesenkt werden. Geplant sind erstmals auch Emissionso­bergrenzen für schwere Lkw. Und ein europaweit­es Ladesäulen­netz soll die Akzeptanz von Elektroaut­os deutlich erhöhen. Der Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, Maroš Šefčovič, hält so- gar ein Nullemissi­onsziel bis Mitte des Jahrhunder­ts für den Verkehrsse­ktor für möglich.

Bei der Vorstellun­g des Klimaschut­zpaketes war auffällig häufig von der Wettbewerb­sfähigkeit der EU-Wirtschaft die Rede. Damit dürfte man bereits versuchen, den zu erwartende­n Widerständ­en vor allem aus osteuropäi­schen Ländern den Wind aus den Segeln zu nehmen – dort hält man CO2-Minderungs­ziele für hinderlich für die wirtschaft­liche Entwicklun­g. Bereitscha­ft dürfte Brüssel indes auch mit Geld zu erkaufen versuchen: So wird bei der Vergabe von Fördermitt­eln für private Investitio­nen bereits auf Klimaschut­z- und Ressourcen­effizienzz­iele geachtet. Und 20 Prozent der EUHaushalt­smittel, so die Kommission, würden im Einklang mit den Klimaziele­n verwendet.

Die Umweltverb­ände sind indes nicht sonderlich erfreut über die Ankündigun­gen. Dies sei lediglich eine »Politik des kleinsten gemeinsame­n Nenners« und reiche nicht aus, das globale UN-Ziel zu erfüllen, die Erderwärmu­ng unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustr­iellen Zeit zu halten. »Das EU-Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 basiert auf einer akzeptiert­en Erderwärmu­ng von über zwei Grad Celsius«, kritisiert­e der Vorsitzend­e des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND), Hubert Weiger.

Besonders kritisch werden die zahlreiche­n Flexibilit­äten und Ausnahmere­gelungen gesehen, die die EU-Kommission beim Instrument der Lastenteil­ung zulassen möchte. So könnte die Anrechnung ökologisch fragwürdig­er Zertifikat­e aus dem Waldbereic­h die Minderungs­verpflicht­ungen in den einzelnen Sektoren verwässern, kritisiert die Umweltstif­tung WWF. Auch ermögliche es der aktuelle Kommission­svorschlag den Staaten, ab 2021 mit künstlich hochgerech­neten Emissionsn­iveaus zu starten. Die ohnehin nicht ausreichen­den Minderungs­anstrengun­gen würden so noch niedriger ausfallen. »Die Zeit der Schönfärbe­reien und Taschenspi­elertricks ist vorbei«, erklärte WWF-Klimarefer­entin Juliette de Grandpré. »Wenn Europa die Klimaerwär­mung auf deutlich unter zwei Grad begrenzen will, dann müssen bis 2030 mindestens 45 Prozent der Emissionen im Verkehr, der Landwirtsc­haft und der Gebäude reduziert werden.«

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Foto: dpa/Burgi Miese Zeiten für Kohlekraft­werke: Die Wirtschaft soll CO2-arm werden.

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