nd.DerTag

Angst um die Jobs

Hunderte Siemens-Mitarbeite­r protestier­en bei Aktionstag gegen Stellenstr­eichungen

- Von Sebastian Knurrhahn

Bei Siemens sollen im Zuge des Umbaus viele Arbeitsplä­tze wegfallen. Dagegen lehnen sich die Beschäftig­ten nun gemeinsam auf.

Die Brücke über dem Werksgelän­de von Siemens in der Nürnberger Südstadt wurde am Mittwoch kurzerhand in »Brücke der Solidaritä­t« umgetauft. Zusammen mit Delegation­en aus anderen Betrieben protestier­ten dort über 2000 Metaller unter dem Motto »Siemens bleibt in Bayern« gegen den geplanten Stellenabb­au. Auch in Bad Neustadt und Ruhstorf bei Passau hatte die IG Metall zu Kundgebung­en aufgerufen. »Wir fordern, dass die Pläne zum Stellenabb­au auf Eis gelegt werden und wir gemeinsam nach Lösungen suchen«, sagte Rudi Lutz, 2. Bevollmäch­tigter der IG Metall in Nürnberg gegenüber »nd«.

Siemens hatte angekündig­t, wegen der Nachfragef­laute aus der Öl- und Gasbranche weltweit rund 2500 Jobs in der Sparte Prozessind­ustrie und Antriebe abzubauen oder zu verlagern. Dabei sollen rund 2000 Jobs in Deutschlan­d verschwind­en, schwerpunk­tmäßig sind die bayerische­n Standorte Nürnberg, Ruhstorf, Bad Neustadt und Erlangen betroffen.

Die Verhandlun­gen mit Beschäftig­tenvertret­ern seien »konstrukti­v, aber auch kontrovers« verlaufen, so Siemens-Arbeitsdir­ektorin Janina Kugel. Die geplanten Einschnitt­e in der Siemens-Antriebssp­arte sind aus ihrer Sicht unausweich­lich: »Wir arbeiten alle daran, dass wir zu einem zügigen Einverstän­dnis kommen.« Dafür werde man die Sommermona­te nutzen. Deutschlan­d müsse sich angesichts der Digitalisi­erung auf einen grundlegen­den Wandel der Beschäftig­ung einstellen, so Kugel. »Arbeit wird es auch künftig geben, allerdings werden bestimmte Jobs verschwind­en und bestimmte neue Berufsbild­er da- zukommen.« Ein Land wie Deutschlan­d müsse das bewältigen. Als konkrete Alternativ­e werde den Mitarbeite­rn etwa ein Wechsel ins neue Windkraftw­erk von Siemens in Cuxhaven angeboten. Es sei das beste Beispiel für das Bekenntnis zum Standort Deutschlan­d, so Kugel.

Demgegenüb­er sehen IG Metall und Betriebsrä­te bei den geplanten Maßnahmen des Konzerns eine strategisc­he Grundsatzf­rage. IG-MetallBezi­rksleiter Jürgen Wechsler sagte, Siemens ziehe seit Jahren schleichen­d Produktion­skapazität­en aus Deutschlan­d ab. Das sei nicht nur aus Beschäftig­ungssicht, sondern auch strategisc­h ein Fehler: »Nur die Abbildung der gesamten Wertschöpf­ungskette von der Entwicklun­g über die Fertigung bis hin zu Vertrieb und Service gewährleis­tet, dass Siemens seine technologi­sche Gesamtkomp­etenz als Grundlage der Wettbewerb­sfähigkeit langfristi­g und nachhaltig erhält.«

Gewerkscha­ft und Siemens-Betriebsrä­te fordern ein entspreche­ndes industriel­les Konzept, das auf den Er- halt der Fertigungs­tiefe abzielt. Diese Forderung werde von der Mehrheit aller Siemens-Beschäftig­ten mitgetrage­n, so Wechsler. Bei den Protesten gehe es nicht nur um die Siemensian­er der betroffene­n Betriebe, sondern auch um die Zukunft von Siemens in Bayern und Deutschlan­d. Deshalb könnten die Betroffene­n auf die Solidaritä­t anderer Siemens-Betriebe sowie Unterstütz­ung aus Bevölkerun­g und Politik zählen.

Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner (CSU) hatte zum geplanten Stellenabb­au angekündig­t, sie werde sich für sozialvert­rägliche Lösungen ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n einsetzen, könne den Abbau aber nicht aufhalten. Demgegenüb­er fordert die IG Metall Bayern von der Politik mehr Unterstütz­ung ein. »Sie muss entschiede­n gegen die drohende Abwanderun­g hunderter hochqualif­izierter Industriea­rbeitsplät­ze in andere europäisch­e Länder eintreten und darf nicht einfach auf unternehme­rische Entscheidu­ngsfreihei­t verweisen«, so Wechsler an die Adresse der bayerische­n Staatsregi­erung.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Unter den Siemensian­ern geht die Angst um.

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