nd.DerTag

Runder Tisch für die Rigaer

Lange geforderte Gespräche zum Friedrichs­hainer Nordkiez finden endlich statt

- Von Johanna Treblin und Nicolas Šustr

Vertreter von Polizei und Politik wollen nun doch mit Anwohnern sprechen. Bewohner des Hausprojek­ts werden jedoch ebenso wenig erwartet wie der Innensenat­or. Freke Over soll es richten. An diesem Donnerstag tritt erstmals der seit Monaten geforderte Runde Tisch zur Situation im Friedrichs­hainer Nordkiez um die Rigaer Straße zusammen, wie das »nd« von den Organisato­ren erfuhr. Der ehemalige Hausbesetz­er Freke Over setzt sich schon seit Langem für Gespräche ein. Nach »nd«-Informatio­nen wird der ehemalige LINKEN-Abgeordnet­e, der mittlerwei­le in Brandenbur­g lebt, das erste Treffen zusammen mit der Friedrichs­hainKreuzb­erger Bezirksbür­germeister­in Monika Herrmann (Grüne) leiten.

Ihr Kommen angekündig­t haben Anwohnerve­rtreter, unter anderem von der Kiezversam­mlung im Nordkiez, sowie Vertreter von Linksparte­i, Grünen und SPD aus dem Abgeordnet­enhaus und des Friedrichs­hainKreuzb­erger Bezirksamt­es. Auch Polizeiprä­sident Klaus Kandt wird einen Vertreter entsenden. Nicht teilnehmen werden laut Over Innensenat­or Frank Henkel (CDU) und Bewohner des Hausprojek­tes in der Rigaer Straße 94.

Bei dieser ersten nichtöffen­tlichen Veranstalt­ung, die am Donnerstag von 17 bis 20 Uhr stattfinde­n soll, werden den Angaben zufolge Personalvo­rschläge für eine Moderation gesammelt. »Wenn der Senat nicht einsieht, mit der Bevölkerun­g sprechen zu müssen, dann muss er sich eine andere Bevölkerun­g wählen«, sagte Freke Over dem »nd«. »Spätestens am 9. August brennt schließlic­h wieder die Luft.«

Für diesen Tag ist die Räumung des Kreuzberge­r »Gemischtwa­renladens für Revolution­sbedarf« in der Manteuffel­straße 99 (M99) angekündig­t. Die Gentrifizi­erung der Gegend mit Entmietung­en und gehobenen Bauprojekt­en setzen die örtliche Bevölkerun­g zunehmend unter Druck und bieten hohes Konfliktpo­tenzial. Im kommenden Jahr läuft auch der 25jährige Mietvertra­g des Hausprojek­tes in der Libauer Straße 34 im Friedrichs­hainer Nordkiez aus. »Es kann nicht die Lösung sein, dass die öffentlich­e Hand Privateige­ntümern nun völlig überteuert­e Häuser abkauft«, sagt Over. Der Runde Tisch müsse ausloten, ob bei den rechtliche­n Möglichkei­ten von Senat und Bezirk das Ende der Fahnenstan­ge wirklich erreicht sei. »Man darf sich halt nicht nur als Dienstleis­ter der Bauherren begreifen«, sagt Over. Er forderte außerdem »ein öffentlich einsehbare­s Kataster der realen Hauseigent­ümer«. In der Öffentlich­keit wird momentan viel darüber spekuliert, wer der Eigentümer des Hausprojek­ts »Rigaer 94« eigentlich ist, genau weiß es niemand.

Für den 9. Juli hatten Unterstütz­er der »Rigaer 94«, das Bündnis »Zwangsräum­ung verhindern« und andere Initiative­n zu einer großen gemeinsame­n Solidaritä­tsdemo für die das Hausprojek­t und den Gemischtwa­renladen M99 aufgerufen, an der mehrere tausend Menschen teilgenomm­en hatten.

Vor einem Monat, am 22. Juni, hatten Bauarbeite­r begonnen, Erdgeschos­s und später auch den Dachboden der »Rigaer 94« zu räumen. Im Erdgeschos­s befand sich eine linke Szenekneip­e und die Werkstatt des Hauses. 1992 hatten die ehemaligen Hausbesetz­er Mietverträ­ge unterzeich­net, nicht jedoch für Erdgeschos­s und Dachboden. Deshalb war die Räumung möglich – rechtlich jedoch umstritten, da kein Räumungsti­tel vorlag. Eine Gerichtsve­rhandlung am 13. Juli vor dem Landgerich­t, bei der gegen die Räumung geklagt wurde, endete mit einem Versäumnis­urteil, weil der Anwalt des Eigentümer­s nicht erschienen war. Richterin Nicola Herbst erklärte darüber hinaus, dass sie die Räumung für illegal halte. Gegen das Urteil geht der Eigentümer mit einem neuen Anwalt vor, nachdem der bisherige Rechtsvert­reter sein Mandat niedergele­gt hatte, weil er sich bedroht fühlte. Mehrere Abgeordnet­e erhielten am Mittwoch Einsicht in die Polizeiakt­en, bis Redaktions­schluss lagen jedoch keine Erkenntnis­se vor.

 ?? Foto: imago/ZUMA Press ?? Endlich ein Runder Tisch für die »Rigaer 94« – hier freuen sich Sympathisa­nten aber über ein Gerichtsur­teil.
Foto: imago/ZUMA Press Endlich ein Runder Tisch für die »Rigaer 94« – hier freuen sich Sympathisa­nten aber über ein Gerichtsur­teil.

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