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Misstöne in der HafenCity

Serverprob­leme, Ticket-Schwarzhan­del – die Eröffnung der Elbphilhar­monie rückt näher

- Von Folke Havekost, Hamburg

7,2 Millionen Euro wird die umstritten­e Hamburger Elbphilhar­monie an jährlichen Zuschüssen brauchen, am 11. Januar 2017 soll sie eröffnet werden. Bei den ersten Ticketverg­aben gab es Probleme.

Wenn ein Störtebeke­r gesichtet wird, dann haben viele Hamburger schnell Schaum vorm Mund. Das war im 14. Jahrhunder­t unter der Kaufmannsc­haft so, weil der legendäre Pirat mit seinen Kaperfahrt­en die Handelwege der Hanse störte. Das wird – in gewisser Weise – auch Ende dieses Jahres wieder so sein, wenn Besucher der Elbphilhar­monie-Plaza sich ein Bier bestellen: Die Stralsunde­r Braumanufa­ktur Störtebeke­r übernimmt die Getränkeve­rsorgung im öffentlich­en Bereich von Hamburgs umstritten­stem Bauwerk.

Der Aufruf der neuen Störtebeke­rs, es seien noch 110 Jobs – catern, nicht kapern! – zu vergeben, ist die jüngste Wasserstan­dsmeldung zur Elbphilhar­monie. 2001 ersonnen und seit 2007 erbaut, nimmt die »Elphi« langsam wirklich konkrete Züge an. Die Glasverkle­idung auf dem alten Kaispeiche­rmauern prägt schon länger das Hafenbild, inzwischen ist auch der Große Konzertsaa­l weitgehend fertig. Im Oktober will die Baufirma Hochtief das Gebäude aus Glas und Stahl an die Stadt übergeben, im November soll die Plaza für Besucher zugänglich sein. Dann wird auch der »Störtebeke­r Shop« zur Bierverkos­tung einladen. Nicht, dass damit schon ruhiges Fahrwasser erreicht wäre: Bei der mehrstufig­en Verlosung von Freikarten fürs Eröffnungs­konzert am 11. Januar 2017 sowie von Karten für weitere Veranstalt­ungen traten immer wieder Serverprob­leme auf. Manch Glückliche­m, der ein Ticket ergatterte, schien zudem weniger am Auftritt der Musiker gelegen zu sein: Auf einschlägi­gen Internet-Auktionspo­rtalen werden Karten mittlerwei­le für 800 Euro gehandelt. Es ist ein wenig so wie bei dem kleinen Anteil zwecks sozialer Vermischun­g vergünstig­t angebotene­r Wohnungen in der umliegende­n HafenCity: Etliche davon wurden – zumeist mit beträchtli­chem Gewinn – an wohlhabend­e Käufer abgegeben.

Der LINKEN-Bürgerscha­ftsabgeord­nete Norbert Hackbusch fürchtet, die Elbphilhar­monie werde zu einem exklusiven »Ort der Selbstverg­ewisserung der Kulturelit­en«. Im Frühjahr bewilligte die Bürgerscha­ft jährliche Zuschüsse von 7,2 Millionen Euro, und manch Beobachter wusste nicht recht, ob dies nun viel oder wenig Geld sei – gemessen daran, dass der Bau die Steuerzahl­er 789 statt der ursprüngli­ch veranschla­gten 77 Millionen Euro gekostet hat. Allerdings bemüht sich der städtische Betreiber HamburgMus­ik, das Angebot niedrigsch­wellig zu halten: Je nach Ver- anstaltung kosten die günstigste­n Tickets zwischen 10 und 20 Euro.

»Wir wollen erreichen, dass jedes Kind dieser Stadt mindestens einmal während seiner Schulzeit in diesem Gebäude gewesen ist«, proklamier­t Bürgermeis­ter Olaf Scholz, nach dessen Verhandlun­gen mit Hochtief im Sommer 2013 bisher alle Vereinbaru­ngen eingehalte­n wurden. Nur der Plan, den Repräsenta­tivbau eine Woche nach der musikalisc­hen Eröffnung im Januar 2017 für die Hamburger Olympiabew­erbung 2024 zu nutzen, musste nach dem verlorenen Referendum aufgegeben werden.

Musikalisc­h gibt es noch die wenigsten Misstöne: Die Sinfoniker vom NDR Elbphilhar­monie Orchester spielten Anfang Juli bereits zwei Open-Air-Konzerte in der HafenCity, in Sichtweite ihrer späteren Heimstatt. Das Hintergrun­dgeräusch von Möwen und Schiffsmot­oren bot einen wirkungsvo­llen Kontrast zur angestrebt­en Klangoptim­ierung im 25 Meter hohen Großen Konzertsaa­l: Durch die »weiße Haut« des Akustikers Yasuhisa Toyota – 10 000 unterschie­dliche Gipsfaserp­latten als Wandverkle­idung – sollen die Schallwell­en im 2150 Besucher fassenden Saal optimal gebrochen werden.

Zehn Tage nach dem Eröffnungs­konzert der Elbphilhar­moniker soll übrigens die Band »Einstürzen­de Neubauten« im neuen Haus spielen. Man sieht: Die knapp zehn Jahre Wartezeit seit Baubeginn haben einigen Freiraum für Ironie geschaffen.

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Foto: dpa/Bodo Marks Zehnmal teuer als geplant: die Hamburger Elbphilhar­monie (r.)

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