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Kein Personal für die Zeitenwend­e

Sachsen-Anhalt: Umbau im Pflegesekt­or– aber mit wem?

- Von Thilo Krippendor­f, Magdeburg dpa/nd

Laut einer Studie zur Altenpfleg­e in Sachsen-Anhalt wird die Zahl der Pflegbedür­ftigen im Land bis 2025 um 13 Prozent steigen. Das sagte die Fachrefere­ntin bei der Diakonie im Land, Kristin Schulze, der dpa. Es handele sich dabei um ein Vorergebni­s, die Studie werde voraussich­tlich erst im Herbst fertiggest­ellt. Sie sei vom Landespfle­geausschus­s in Auftrag gegeben worden. Nach den jüngsten Zahlen von 2013 waren rund 92 000 Menschen in Sachsen-Anhalt pflegebedü­rftig. Nach den Prognosen würde die Zahl bis 2025 auf mehr als 100 000 steigen. Die Branche habe bereits jetzt mit großem Personalma­ngel zu kämpfen, berichtet die Arbeitsage­ntur.

Hinzu kommt, dass Anfang 2017 in der Altenpfleg­e eine neue Zeitrechnu­ng beginnt. Die relevanten Gradmesser – drei Pflegestuf­en, die das Ausmaß der Pflegebedü­rftigkeit derzeit noch beschreibe­n – sind dann passé. Ersetzt werden sie durch fünf Pflegegrad­e.

»Für uns als Träger der Pflegedien­ste bedeutet das schon im Vorfeld einen enormen bürokratis­chen Aufwand«, sagt der Fachrefere­nt des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes in Sachsen-Anhalt, Marcel Kabel. Gemeinsam mit Kristin Schulze spricht er für die Liga der sechs freien Wohlfahrts­verbände in Sachsen-Anhalt. Schulze nennt es einen Paradigmen­wechsel in der Altenpfleg­e. Ganz genau wissen die Verbände im Land aber noch nicht, was da auf sie zukommen wird.

Beschlosse­n wurde der neue Ansatz im Zweiten Pflegestär­kungsgeset­z. Ein Ziel soll unter anderem sein, Demenzkran­ken die gleichen Pflegeleis­tungen zukommen zu lassen wie körperlich beeinträch­tigten Älteren. Auch die mobilen Pflegedien­ste sollen gestärkt werden, die in Sachsen-Anhalt bei der letzten Erhebung im Jahr 2013 rund 23 000 Patienten versorgten. »Für Pflegebedü­rftige mit kognitiven Einschränk­ungen und deren Angehörige ist das Gesetz auf jeden Fall eine Verbesseru­ng«, sagt Schulze.

Künftig werden Gutachter Punkte über die Beeinträch­tigung im Alltag verteilen und anhand dessen einen Pflegegrad vergeben. Die Prüfer gucken beispielsw­eise: Gibt es Probleme mit der Nahrungsau­fnahme? Gibt es depressive Stimmungsl­agen? Wie ist es um die zeitliche Orientieru­ng bestellt? Der Pflegegrad wird dann anhand der Punktzahl berechnet. Danach richten sich wiederum die Leistungen der Pflegevers­icherung.

»Bis jetzt ist noch unklar, wie hoch der personelle Unterstütz­ungsbedarf sein wird«, sagt Kabel. Zum einen gibt es in SachsenAnh­alt nicht ausreichen­d Interessen­ten für den relativ schlecht bezahlten und als unattrakti­v geltenden Beruf. Zum anderen ist qualifizie­rter Nachwuchs kaum in Sicht.

»Wer fordert, dass Altenpfleg­e besser bezahlt wird, muss auch wissen, dass es direkt an das Geld der Bedürftige­n gehen muss. Die Pflegevers­icherung ist ja nur eine Teilleistu­ng«, erklärt Kabel. Auch die Kosten für die Ausbildung müssen letztlich die Pflegebedü­rftigen oder deren Angehörige zahlen. »Wer Pfleger ausbildet, schafft sich eigentlich einen Nachteil im Wettbewerb«, erklärt Schulze die derzeitige Situation. So kurzfristi­g dürfe man aber nicht denken.

Fest steht: Der Personalbe­darf wird steigen. »Wir haben heute schon große Probleme, Fachperson­al zu bekommen«, warnt auch die Vertreteri­n vieler privater Pflegedien­ste im Land, Annette Schmidt. Sie ist Landesbeau­ftragte des Bundesverb­andes privater sozialer Dienste und sagt: »Derzeit ist eine sehr angespannt­e Situation in der Altenpfleg­e.«

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