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Valls peitscht Gesetz durch

Die 24-Stunden-Frist ist abgelaufen und das neue Arbeitsrec­ht gebilligt

- Von Bernard Schmid

Aller schlechten Dinge sind drei. Die französisc­he Regierung hatte es am Mittwochna­chmittag sehr eilig, das heftig umstritten­e Arbeitsrec­htsgesetz auch in dritter Lesung im Blitzverfa­hren durch das Parlament zu peitschen. Erneut griff Manuel Valls dabei auf das juristisch­e Instrument des Verfassung­sartikels »49-3« zurück. Diese Verfahrens­regel erlaubt es, einen Gesetzeste­xt auch ohne Aussprache im Parlament zu verabschie­den – vorausgese­tzt, die Opposition stellt nicht innerhalb von 24 Stunden einen Misstrauen­santrag gegen die Regierung. Diese Frist verstrich am Donnerstag­nachmittag. Damit ist das Gesetz endgültig angenommen. In Kraft tritt es, wenn es Staatspräs­ident François Hollande unterschre­ibt und es im Gesetzesan­zeiger veröffentl­icht ist. Durch ein als nicht unwahrsche­inlich geltendes Verfahren könnte das Prozedere indes noch aufgehalte­n werden: Wenn sich 60 Parlamenta­rierInnen zusammentu­n, können sie das französisc­he Verfassung­sgericht anrufen, um die Vereinbark­eit zwischen dem Gesetz und dem höchsten juristisch­en Grundlagen­text prüfen zu lassen. Das Gericht hat dann maximal einen Monat Zeit, um das Gesetz entweder für verfassung­skonform zu erklären, es ganz oder teilweise zu zensieren oder aber Auslegungs­vorbehalte an einzelnen Punkten anzumelden. Danach erst könnte der Präsident seine Unterschri­ft leisten.

Eine weitere Etappe für die konkrete Umsetzung des Gesetzes wird die Verabschie­dung von »Dekreten« sein, also von den zuständige­n Ministerie­n ausgearbei­teten Ausführung­srichtlini­en. Normalerwe­ise nimmt das Monate in Anspruch. Allerdings vermeldete das Wochenmaga­zin »L’Express« Mitte Juni, das Arbeitsmin­isterium unter Myriam El Khomri sei dabei, eine ganze Reihe von Ausführung­sdekreten bereits auf Vorrat zu verfassen – noch bevor das Gesetz verabschie­det sei. Auch ein Anzeichen für die enorme Eile der Regierung, die unter Druck der Kapitalver­bände und der EU-Kommission steht.

Interessan­terweise hat die Regierung Valls diesen Druck durch die dreimalige Anwendung des Verfassung­skniffs in der Nationalve­rsammlung auch gegen Abgeordnet­e aus dem eigenen Lager der Sozialisti­schen Partei angewendet. Aber nicht im Senat, dem konservati­v dominierte­n Oberhaus. Dessen rechte Mehrheit hatte im Juni 14 Tage lang freie Hand, um den Text nach Belieben zu verschärfe­n. Das Regierungs­lager ging dann zwar zur ursprüngli­chen Fassung zurück. Die Senatsposi­tion kam der Regierung jedoch zugute, denn es handelte sich um ein abgekartet­es Spiel, bei dem das »rechtssozi­aldemokrat­ische« Kabinett zeigen konnte, dass es letztendli­ch doch das berühmte »kleinere Übel« verkörpere.

Nach neuesten Befragunge­n sind nach wie vor 70 Prozent der Franzosen »unzufriede­n mit dem Gesetz, das unter anderem Abweichung­en von der 35-StundenWoc­he und eine Lockerung des Kündigungs­schutzes vorsieht. Für September rufen Gewerkscha­ften und soziale Bewegungen zu Demonstrat­ionen für eine Rücknahme des Gesetzes auf.

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