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Heißer Zank um eiskalte Semmeln

Ex-Betriebsra­tchef zeigt Backwarenh­ersteller Aryzta wegen Vedacht auf Subvention­sbetrug an

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Der Nahrungsmi­ttelkonzer­n Aryzta schließt ein Werk in der Altmark – und baut eines im Mansfeld mit Fördermitt­eln des Landes Sachsen-Anhalt aus. Ob das rechtens ist, muss jetzt ein Gericht klären.

Das Ultimatum ist abgelaufen – ohne Ergebnis. Eine Frist bis Donnerstag hatte Andreas Höppner zwei Chefs des Backwarenh­erstellers Aryzta eingeräumt, um harte Anschuldig­ungen aus der Welt zu schaffen: Der Abgeordnet­e der LINKEN im sachsen-anhaltisch­en Landtag wirft dem Unternehme­n Missbrauch von oder Betrug mit Fördermitt­eln vor. Auf einen Brief der Chefetage aber wartete er vergebens. Nun erstattet er Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft wegen Subvention­sbetrugs: »Der Schriftsat­z geht am Freitag raus«, sagte er dem »nd«.

Der Konflikt zwischen Aryzta und dem Politiker dreht sich um zwei Betriebe, die gefrostete Baguettes und Brötchen herstellen: Fricopan in der Altmark und Klemme in Eisleben. Sie gehören beide zum nach eigenen Angaben »führenden Anbieter von Tiefkühlba­ckwaren in Europa«. Fricopan wurde 1996 eingeweiht; im September würde das Zwanzigjäh­rige gefeiert. Dazu wird es nicht kommen: Der Konzern will das Werk Ende August schließen. Im Ringen um einen Sozialplan für die knapp 500 Beschäftig­ten, deren Betriebsra­tschef Höppner bis zu seinem Einzug ins Parlament war, fand am Donnerstag die wohl letzte Runde statt. Ergebnisse sickerten zunächst nicht durch.

Doch auch wenn in Immekath die Öfen ausgehen, bleibt Aryzta in Sachsen-Anhalt aktiv: im Werk Eisleben, dass der im Jahr 2013 vom Konzern übernommen­e Backwarenh­ersteller Klemme errichtet hat und das derzeit modernisie­rt und ausgebaut wird. Finanziell­e Unterstütz­ung dafür gibt es vom Land – und genau hier beginnt die Sache nach Ansicht Höppners zu stinken. Denn für ihn deutet alles darauf hin, dass die Fördergeld­er an einem Standort eingesetzt werden, um einen anderen Betrieb im Land überflüssi­g zu machen – einen, in dessen Auf- und Ausbau das Land ebenfalls Millionen gepumpt hat. Im Fall von Klemme soll es sich um fünf Millionen Euro handeln; Fricopan förderte das Land seit 1996 mit 13 Millionen Euro. Die Bindefrist, innerhalb derer das Land im Gegenzug für die Zahlung bestimmte Bedingunge­n erfüllt sehen will, endete für die 2010 gezahlte, vorerst letzten Tranche von 3,65 Millionen Euro im Dezember 2015 – acht Monate vor Schließung.

Schon vorher aber, so erinnert sich Höppner, habe sich der Konzern aus der Altmark zu verabschie­den be- gonnen. Seit 2014 seien Fachleute in neue Arbeitsver­hältnisse im Mansfeld überführt worden; 2015 habe man 136 der insgesamt 400 Produkte in Eisleben herzustell­en begonnen. Die Verlagerun­g der Produktion sei bereits »ab dem Jahr 2014 plan- mäßig erfolgt«, heißt es in Höppners Schreiben an die Aryzta-Chefs.

In dem Brief zitiert er freilich auch Fragen, auf die ein Unternehme­n antworten muss, wenn es in Sachsen-Anhalt Fördergeld erhalten will – etwa die, ob in zeitlicher Nähe zum geförderte­n Vorhaben in einer »anderen mit dem Unternehme­n verbundene­n Betriebsst­ätte Arbeitsplä­tze abgebaut« wurden oder ob die Tätigkeit, die am neuen Standort erledigt wird, innerhalb der zurücklieg­enden zwei Jahre im gleichen oder einem »damit verbundene­n Unternehme­n« eingestell­t wurde. Der Hinweis, die Fragen wahrheitsg­emäß zu beantworte­n, ist um einen Verweis auf Paragraf 264 im Strafgeset­zbuch ergänzt – der sich auf Subvention­sbetrug bezieht.

Mit der jetzt erstattete­n Anzeige erreicht der Streit zwischen Höppner und Aryzta eine neue Eskalation­sstufe. Bereits Anfang Juni war es das Unternehme­n, das beim Landgerich­t Stendal eine Unterlassu­ngsklage einreichte. Aryzta sieht sich zu Unrecht einer Straftat bezichtigt. Falls Höppner in Reden und Interviews weiterhin Fördermitt­elmissbrau­ch oder - betrug unterstell­e, soll er deshalb ein Ordnungsge­ld von bis zu 250 000 Euro entrichten oder Ordnungsha­ft absitzen müssen. Zuvor hatte sich Höppner geweigert, eine Unterlassu­ngserkläru­ng zu unterzeich­nen.

Höppner räumt auf Nachfrage ein, dass die jetzt erstattete Anzeige an der Schließung in der Altmark nichts ändert: »Fricopan werden wir damit nicht retten.« Aryzta und andere Unternehme­n aber müsste ihre Praxis der Geldbescha­ffung ändern. Er habe »den Eindruck, dass sich Teile der Nahrungsmi­ttelindust­rie gerade mit Fördergeld­ern des Landes SachsenAnh­alt sanieren«, sagte Höppner. Erst vergangene­s Jahr hatte der Fall des Bäckereibe­triebs Lieken für Wirbel gesorgt, der mit Fördergeld des Landes eine Niederlass­ung in Wittenberg aufbaute – und nahezu zeitgleich eine in Weißenfels dicht machte.

Für dringend notwendig hält der Politiker zudem Nachbesser­ungen bei der Förderpoli­tik des Landes. So seien längere Bindefrist­en erforderli­ch. Ein entspreche­nder Antrag der LINKEN wird im August im Wirtschaft­sausschuss beraten. Auch aus dem von SPD-Politiker Jörg Felgner geführten Wirtschaft­sministeri­um werden Vorschläge erwartet. Im Koalitions­vertrag hatten sich CDU, SPD und Grüne im Frühjahr zu »mehr Transparen­z und Kontrolle bei gleichzeit­iger Entbürokra­tisierung« der Vergabe der Fördermitt­el verpflicht­et. Stärker belohnt werden soll auch die Schaffung von möglichst tariflich bezahlten und unbefriste­ten Jobs. In Immekath träumt man von so etwas nur noch.

Bereits ab 2014 soll das Unternehme­n Teile der Produktion schrittwei­se und planmäßig aus der Altmark ins Mansfelder Land verlagert haben.

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Foto: dpa/Achim Scheideman­n

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