Realsatire im Innenausschuss
Polizei kennt eigene Informationen zur »Rigaer 94« angeblich nicht / Haus erneut verkauft
Innensenator Henkel gibt sich überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Diese Position teilt nicht mal der Koalitionspartner SPD.
»Sie hätten die Möglichkeit, etwas zu tun, womit niemand rechnet. Bitten Sie die Öffentlichkeit um Verzeihung«, leitet Christopher Lauer von der Piratenfraktion an diesem Donnerstag seinen ersten Beitrag bei der Sondersitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus ein. Bei der Sitzung sollten die Begebenheiten rund um die illegale Teilräumung des Hausprojekts »Rigaer 94« in Friedrichshain aufgeklärt werden, insbesondere die Rollen von Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt.
Nun, eine Entschuldigung gibt es erwartbar nicht, dafür freut sich Henkel über die Gelegenheit »Dinge deutlich zu bilanzieren und deutlich Position zu beziehen«. Es sind die bekannten Argumente, redundant vorgetragen von absteigenden Chargen. Kern laut Henkel: »Es kann keine Räumung gegeben haben, weil es keinen Titel dafür gab.« Neben dem Innensenator legten dies Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU), Polizeipräsident Kandt und Polizeijustiziar Oliver Tölle dar. »Die Einschätzung des Hauseigentümers stimmte in hohem Maße mit jener der Polizei überein«, sagt Henkel. Da nur »Teile des Hauses, die keine Wohnungen sind«, bearbeitet werden durften, sei es nur »folgerichtig« gewesen, »keine rechtlichen Belege für eine Räumung einzufordern«, gibt wiederum Krömer zum Besten, ein »unrechtmäßiges Verhalten« sei »nicht erkennbar« gewesen.
Klaus Kandt teilt mit, dass der Einsatz von der Polizei und nicht von der Politik veranlasst wurde. Justiziar Oliver Tölle geht detaillierter auf den zeitlichen Ablauf ein. Los ging alles am 20. Mai, bei einer gemeinsamen Besprechung des Leiters der zuständigen Polizeidirektion 5, Michael, Krömer, zusammen mit der Hausverwaltung der »Rigaer 94« sowie Tölle. Am 22. und 31. Mai erhielt die Polizei Briefe, mit denen um Unterstützung bei den geplanten Räumungs- und Baumaßnahmen gebe- ten wurde. Am 6. Juni wurde schließlich Polizeipräsident Kandt informiert, der wiederum Innensenator Henkel erst am frühen Abend des 21. Juni in Kenntnis setzte. Letzterer findet das in Ordnung, das entspreche der vereinbarten Linie.
»Die Polizei hat sich vollkommen verselbstständigt«, urteilt Christopher Lauer. Er zitiert auch sinngemäß aus einem Brief der Eigentümeranwälte vom 28. Juni, der sich in den Polizeiakten fand: Wer könne eine eidesstattliche Erklärung vorlegen, wird da gefragt, sonst sei das Vorgehen eine »verbotene Eigenmacht«. Auch deutet für ihn der zeitliche Ablauf darauf hin, dass der Eigentümer von der Polizei regelrecht ermuntert wurde, die Räumung zu veranlassen.
Dass die Erdgeschossräume der »Rigaer 94« für die Vereinsgaststätte »Kadterschmiede« genutzt wurden, wusste man »wirklich nicht«, versi- chert Justiziar Tölle. Man scheint die eigenen Verfassungsschutzberichte nicht zu lesen, zuletzt 2015 wurde der Laden erwähnt.
SPD-Innenexperte Frank Zimmermann zitiert aus einem der Eigentürmerbriefe. »Zivilrechtlich kann ich nicht vorgehen, da es Probleme bei der Zustellung geben wird«, heißt es da. Prozessuale Schwierigkeiten müssten versucht werden »zu überwinden und nicht zu umgehen, weil sie lästig sind«, kommentiert er das. »Ich möchte hier mehr hören als das war schlüssig und wir haben das geglaubt.« SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider sagt, dass er nicht den Rücktritt von Henkel wolle. Christopher Lauer fände es schön, wenn gleich alle vier, also Henkel, Krömer, Kandt und Tölle ihren Hut nähmen.
Hakan Taş, Innenexperte der LINKEN fragt, ob ein Innensenator, »der mit dem Rechtsstaat Probleme hat, noch seine Aufgaben durchführen kann«. Sowohl er als auch Kandt hätten sich in Widersprüche verstrickt. »Mir wurde auch auf mehrmalige Nachfrage nicht beantwortet, wie viel der Polizeieinsatz letztlich gekostet hat.«
Zum Ende der Sitzung sagte der Polizeipräsident, dass das Haus »Rigaer 94« inzwischen wieder weiterverkauft worden sei. Man habe weder über den bisherigen noch den neuen Besitzer Informationen.
Am späten Nachmittag findet im Rathaus Friedrichshain hinter verschlossenen Türen der erste Runde Tisch mit den Anwohnern der Rigaer Straße statt. Nicht dabei sind Vertreter des Senats sowie der »Rigaer 94«. Die Polizei hat ihre Zusage am Mittwoch wieder zurückgezogen. »Wir wurden nicht eingeladen«, sagt Senatssprecherin Daniela Augenstein. »Aber wer friedliebend ist, den werden wir nicht ausschließen.«