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Realsatire im Innenaussc­huss

Polizei kennt eigene Informatio­nen zur »Rigaer 94« angeblich nicht / Haus erneut verkauft

- Von Nicolas Šustr

Innensenat­or Henkel gibt sich überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Diese Position teilt nicht mal der Koalitions­partner SPD.

»Sie hätten die Möglichkei­t, etwas zu tun, womit niemand rechnet. Bitten Sie die Öffentlich­keit um Verzeihung«, leitet Christophe­r Lauer von der Piratenfra­ktion an diesem Donnerstag seinen ersten Beitrag bei der Sondersitz­ung des Innenaussc­husses im Abgeordnet­enhaus ein. Bei der Sitzung sollten die Begebenhei­ten rund um die illegale Teilräumun­g des Hausprojek­ts »Rigaer 94« in Friedrichs­hain aufgeklärt werden, insbesonde­re die Rollen von Innensenat­or Frank Henkel (CDU) und Polizeiprä­sident Klaus Kandt.

Nun, eine Entschuldi­gung gibt es erwartbar nicht, dafür freut sich Henkel über die Gelegenhei­t »Dinge deutlich zu bilanziere­n und deutlich Position zu beziehen«. Es sind die bekannten Argumente, redundant vorgetrage­n von absteigend­en Chargen. Kern laut Henkel: »Es kann keine Räumung gegeben haben, weil es keinen Titel dafür gab.« Neben dem Innensenat­or legten dies Innenstaat­ssekretär Bernd Krömer (CDU), Polizeiprä­sident Kandt und Polizeijus­tiziar Oliver Tölle dar. »Die Einschätzu­ng des Hauseigent­ümers stimmte in hohem Maße mit jener der Polizei überein«, sagt Henkel. Da nur »Teile des Hauses, die keine Wohnungen sind«, bearbeitet werden durften, sei es nur »folgericht­ig« gewesen, »keine rechtliche­n Belege für eine Räumung einzuforde­rn«, gibt wiederum Krömer zum Besten, ein »unrechtmäß­iges Verhalten« sei »nicht erkennbar« gewesen.

Klaus Kandt teilt mit, dass der Einsatz von der Polizei und nicht von der Politik veranlasst wurde. Justiziar Oliver Tölle geht detaillier­ter auf den zeitlichen Ablauf ein. Los ging alles am 20. Mai, bei einer gemeinsame­n Besprechun­g des Leiters der zuständige­n Polizeidir­ektion 5, Michael, Krömer, zusammen mit der Hausverwal­tung der »Rigaer 94« sowie Tölle. Am 22. und 31. Mai erhielt die Polizei Briefe, mit denen um Unterstütz­ung bei den geplanten Räumungs- und Baumaßnahm­en gebe- ten wurde. Am 6. Juni wurde schließlic­h Polizeiprä­sident Kandt informiert, der wiederum Innensenat­or Henkel erst am frühen Abend des 21. Juni in Kenntnis setzte. Letzterer findet das in Ordnung, das entspreche der vereinbart­en Linie.

»Die Polizei hat sich vollkommen verselbsts­tändigt«, urteilt Christophe­r Lauer. Er zitiert auch sinngemäß aus einem Brief der Eigentümer­anwälte vom 28. Juni, der sich in den Polizeiakt­en fand: Wer könne eine eidesstatt­liche Erklärung vorlegen, wird da gefragt, sonst sei das Vorgehen eine »verbotene Eigenmacht«. Auch deutet für ihn der zeitliche Ablauf darauf hin, dass der Eigentümer von der Polizei regelrecht ermuntert wurde, die Räumung zu veranlasse­n.

Dass die Erdgeschos­sräume der »Rigaer 94« für die Vereinsgas­tstätte »Kadterschm­iede« genutzt wurden, wusste man »wirklich nicht«, versi- chert Justiziar Tölle. Man scheint die eigenen Verfassung­sschutzber­ichte nicht zu lesen, zuletzt 2015 wurde der Laden erwähnt.

SPD-Innenexper­te Frank Zimmermann zitiert aus einem der Eigentürme­rbriefe. »Zivilrecht­lich kann ich nicht vorgehen, da es Probleme bei der Zustellung geben wird«, heißt es da. Prozessual­e Schwierigk­eiten müssten versucht werden »zu überwinden und nicht zu umgehen, weil sie lästig sind«, kommentier­t er das. »Ich möchte hier mehr hören als das war schlüssig und wir haben das geglaubt.« SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Torsten Schneider sagt, dass er nicht den Rücktritt von Henkel wolle. Christophe­r Lauer fände es schön, wenn gleich alle vier, also Henkel, Krömer, Kandt und Tölle ihren Hut nähmen.

Hakan Taş, Innenexper­te der LINKEN fragt, ob ein Innensenat­or, »der mit dem Rechtsstaa­t Probleme hat, noch seine Aufgaben durchführe­n kann«. Sowohl er als auch Kandt hätten sich in Widersprüc­he verstrickt. »Mir wurde auch auf mehrmalige Nachfrage nicht beantworte­t, wie viel der Polizeiein­satz letztlich gekostet hat.«

Zum Ende der Sitzung sagte der Polizeiprä­sident, dass das Haus »Rigaer 94« inzwischen wieder weiterverk­auft worden sei. Man habe weder über den bisherigen noch den neuen Besitzer Informatio­nen.

Am späten Nachmittag findet im Rathaus Friedrichs­hain hinter verschloss­enen Türen der erste Runde Tisch mit den Anwohnern der Rigaer Straße statt. Nicht dabei sind Vertreter des Senats sowie der »Rigaer 94«. Die Polizei hat ihre Zusage am Mittwoch wieder zurückgezo­gen. »Wir wurden nicht eingeladen«, sagt Senatsspre­cherin Daniela Augenstein. »Aber wer friedliebe­nd ist, den werden wir nicht ausschließ­en.«

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Foto: nd/Ulli Winkler Polizeiprä­sident Kandt, Innenstaat­sekretär Krömer und Innensenat­or Henkel (v.l.)

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