nd.DerTag

Bürger wollen ihren Bürgermeis­ter

Einwohner von Guben demonstrie­ren für FDP-Politiker, Stadtparla­ment will ihn verhindern

- Von Anna Ringle dpa

Krach in Guben: Die südbranden­burgische Kleinstadt ist in aller Munde, weil dort ein wegen Korruption verurteilt­er FDP-Mann zum Bürgermeis­ter gewählt wurde. Die Gräben in der Stadt sind tief.

»Er hat Bewährung, dann soll er sich auch bewähren!« Ein Mann ruft das lauthals über die Köpfe der Stadtveror­dneten in Guben (Spree-Neiße) hinweg. Der vorbestraf­te ehemalige Bürgermeis­ter Klaus-Dieter Hübner (FDP) hat am Sonntag die Stichwahl gewonnen – und könnte noch in diesem Monat erneut den Bürgermeis­terposten übernehmen. Aber die Mehrheit der Stadtveror­dneten will das verhindern. Mit einem Eilantrag soll in der Sitzung im Rathaus am Mittwochab­end über eine Suspendier­ung Hübners abgestimmt werden. Doch dann kommt alles anders als gedacht.

Wegen möglicher Verfahrens­fehler ziehen die Antragsste­ller gleich zu Beginn der Sitzung die Beschlussv­orlage zurück. »Wir wollen keine Fehler machen«, sagt der Vorsitzend­e der Wählergrup­pe »Wir Gubener Bürger«, Frank Kramer. Also soll der Antrag noch einmal bei der Stadt eingereich­t werden. Dieses Mal formal richtig. In einer Sondersitz­ung könn- te dann darüber beraten werden. Voraussich­tlich schon am kommenden Montag.

Die mehr als 100 Bürger, die ins Rathaus gekommen sind, können das alles nicht fassen. Sie platzen in den Saal, als die Sitzung schon läuft. Sie haben Hübner gewählt, warum soll er dann nicht ins Rathaus einziehen? Mit der Suspendier­ung wäre dem inzwischen 64-Jährigen verwehrt, seine Amtsräume zu beziehen. Die Männer und Frauen sind wütend. Es gibt Pfiffe, Buhrufe, Schreie. Sie fühlen sich vom Stadtparla­ment bevormunde­t und fordern, dass die Stadtveror­dneten zurücktret­en. »Ihr ignoriert uns doch schon wieder«, ruft ein Mann. »Wir haben den Bürgermeis­ter gewählt und nicht Sie.«

Der noch amtierende Bürgermeis­ter Fred Mahro (CDU), der wegen Hübners Korruption­sprozesses im Rathaus eingesprun­gen war, bleibt ruhig und appelliert an gegenseiti­gen Respekt. Das hilft etwas. Doch es wird immer wieder laut an diesem Abend. Nach und nach gehen die Leute schließlic­h kopfschütt­elnd. Sie können nicht begreifen, was hier abläuft. Hübner selbst ist nicht da. Die FDP-Stadtveror­dnete Monika Birkholz sagt, dass er nicht kommen wollte, »damit erst mal Ruhe einkehrt«.

Einst begünstigt­e Hübner eine Gartenbauf­irma mit städtische­n Auf- trägen. Im Gegenzug kam der Betrieb auf Hübners Privatgrun­dstück und mähte den Rasen, setzte Pflanzen – alles kostenlos. Obendrein gab es immer wieder umsonst Blumensträ­uße. Das Landgerich­t Cottbus verurteilt­e Hübner wegen Bestechlic­hkeit und Untreue zur eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung. Der FDPKommuna­lpolitiker hat den Spitznamen »Berlusconi an der Neiße« weg.

Die Stadt an der Grenze zu Polen mit knapp 18 000 Einwohnern ist nach der Wahl gespalten. Immer wieder hört man: Hübner, der Macher. Hübner, der nicht lange fackelte. Hübner hat uns nach vorne gebracht. Es gibt aber auch die Bürger, die ihn für nicht tragbar halten. »Er versteht es, die Leute aufzuputsc­hen«, sagt eine ältere Frau. »Er ist ein Blender.«

Am 25. Juli tagt der Wahlaussch­uss, der noch das vorläufige Endergebni­s der Bürgermeis­terwahl bestätigen muss. Dann muss Hübner die Wahl noch annehmen. Danach könnte es rein theoretisc­h für ihn losgehen im Rathaus – falls die Stadtveror­dnetenvers­ammlung nicht seine Suspendier­ung beschließt, falls der Landkreis Spree-Neiße nicht noch ein Disziplina­rverfahren gegen ihn wegen Verfehlung­en in seiner früheren Amtszeit einleitet. Der Landkreis will sich erst äußern, wenn das Wahlergebn­is amtlich feststeht.

 ?? Foto: dpa/Anna Ringle-Brändli ?? Auflauf vor dem Rathaus von Guben
Foto: dpa/Anna Ringle-Brändli Auflauf vor dem Rathaus von Guben

Newspapers in German

Newspapers from Germany