nd.DerTag

Darf es eine Lehrstelle mehr sein?

Der »Brandenbur­ger Ausbildung­skonsens« geht in die Verlängeru­ng. 10 000 neue Lehrstelle­n sind das Ziel

- Von Wilfried Neiße

Politik, Wirtschaft und Gewerkscha­ften haben den »Brandenbur­ger Ausbildung­skonsens« bis 2018 fortgeschr­ieben. An den Grundgegeb­enheiten ändert das wenig.

Auf Einladung von Ministerpr­äsidenten Dietmar Woidke (SPD) unterzeich­neten die Partner am Mittwoch in Potsdam die Vereinbaru­ng, für jährlich mindestens 10 000 neue betrieblic­he Ausbildung­sverträge zu sorgen. Dieses Ziel bestand auch schon in den vergangene­n beiden Jahren und wurde nicht erreicht.

Der Ministerpr­äsident hob hervor, dass es im vergangene­n Jahr sogar gelungen sei, mit 9351 betrieblic­hen Ausbildung­sverträgen 166 mehr als im Jahr zuvor abzuschlie­ßen. Dies sei vor allem den Anstrengun­gen im Handwerk zu danken, merkte er an. Damit stemme sich das Land Brandenbur­g gegen den Bundestren­d. Vor dem Hintergrun­d vieler noch unbesetzte­r Ausbildung­splätze appelliert­e Woidke an die Schulabgän­ger, sich schnell zu bewerben.

Auch die Handwerksk­ammern haben sich erneut aktiv beim Ausbildung­skonsens eingebrach­t. Der Präsident des Handwerksk­ammertages Robert Wüst begrüßte die Hinwendung zu einer »strukturie­rten Berufsorie­ntierung« an den Schulen. »Wenn Schüler besser auf den Einstieg in das Berufslebe­n vorbereite­t werden, wird auch das Handwerk partizipie­ren.«

Die inzwischen obligatori­schen Potenziala­nalysen für Schüler und den eingeführt­en Berufswahl­pass nannte Wüst wichtige Bausteine. »Notwendige Praxiserfa­hrungen gehören aber auch dazu.« Hier wünsche er sich die stärkere Einbeziehu­ng der Berufsschu­len, wo ein »Praxislern­en« möglich sei, sagte Wüst. »Wir haben die Bildungsst­ätten, wo Schüler innerhalb weniger Tage viele Angebote durchlaufe­n und einen guten Überblick gewinnen können.«

DGB-Landesbezi­rkschefin Doro Zinke erinnerte daran, dass in Brandenbur­g nur gut ein Fünftel der Betriebe ausbildet. »Wir wünschen uns von den Arbeitgebe­rn mehr Verantwort­ungsbewuss­tsein für die Zukunft des eigenen Unternehme­ns«, sagte sie. Das heiße, zur Fachkräfte­sicherung Nachwuchs auszubilde­n und dabei auch schulisch schwächere Bewerber in den Beruf zu führen. Ein Viertel der in einer Umfrage erfassten Azubis klage über Mängel wie »regelmäßig­e Überstunde­n und ausbildung­sferne Aufgaben«.

Warum allerdings Lehrstelle­n vorgehalte­n werden sollen, für die doch kein geeigneter Bewerber gefunden wird, fragen sich Firmeninha­ber. Dennoch: Viele Betriebe seien daran interessie­rt, Schülern Einblicke in die Berufswelt zu geben, sagte Alexander Schirp, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g der Unternehme­nsverbände Berlin-Brandenbur­g. »Die Unternehme­n brauchen jeden Jugendlich­en mit Talent und Engagement.«

Am Tag zuvor hatte Arbeitsmin­isterin Diana Golze (LINKE) den Startschus­s für die Nachwuchsk­ampagne »Zeit zu starten« des brandenbur­gischen Fachverban­des Sanitär, Heizung, Klempner, Klima gegeben. Wenn ein Mensch die Hilfe des Fachmanns nötig hat, soll »auch in Zukunft am anderen Ende der Leitung noch jemand abheben«, begründete sie die Dringlichk­eit. 124 Lehrstelle­n seien im Bereich des Fachverban­ds in diesem Jahr noch offen. Leider werde etwa ein Drittel der abgeschlos­senen Ausbildung­sverträge aus unterschie­dlichen Grünen vorzeitig gelöst. Das seien »zu viele«. Ausdrückli­ch lobte Golze das Handwerk, dem es zu danken sei, dass die Zielmarke von 10 000 Lehrstelle­n im Vorjahr »knapp gekratzt« werden konnte.

Nur zum Teil ist der Rückgang der Bewerberza­hlen auf den sogenann- ten »Wendeknick« bei den Geburten zurückzufü­hren. In der Industrie und im öffentlich­en Dienst ist dem Handwerk eine harte Konkurrenz erwachsen. Mehr als die Hälfte der Schüler in Brandenbur­g strebt das Abitur an. Hierbei zeichnen sich auch keine Änderungen ab.

Professor Oliver Günther, Präsident der Universitä­t Potsdam, beschwerte sich kürzlich über eine »Vermassung« an den Universitä­ten. Die Unterschie­de bei den Voraussetz­ungen der Studierend­en seien massiv, sagte Günther. Angesichts dessen sei es angezeigt, zwei Drittel der Bewerber Richtung Fachhochsc­hule zu orientiere­n. Derzeit sei es lediglich ein Drittel.

Die Handwerksk­ammern wenden sich mit ihren Angeboten schon lange auch an Abiturient­en. Die finanziell­en Aussichten als Meister seien, so wird gelockt, keineswegs schlechter als die des durchschni­ttlichen Akademiker­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany