Champagner gegen den Frust
Arrogante Nationalspieler, Rassismus und Hooligans: Russlands Fußball steckt vor der Heim-WM 2018 in der Krise
Russlands Fußball steht nach dem frühen EM-Aus in der Kritik. Es wird über Ausländerlimits und Einbürgerungen diskutiert. Die Heim-WM wirft ihre Schatten voraus.
Es ist eine Szene, die schon fast an die seligsten Zeiten der ZDF-Serie »Das Traumschiff« erinnert. Die Lichter gehen aus, die Musik ertönt und Kellner bringen prallgefüllte Tabletts, auf denen Wunderkerzen brennen. Doch in Russland sorgen diese Bilder für einen Skandal.
Denn die Bilder entstehen nicht auf einem Kreuzfahrtschiff, sondern in einem teuren Nachtclub von Monte Carlo. Die Kellner bringen auch keine kulinarischen Köstlichkeiten, sondern 500 Champagnerflaschen im Gesamtwert von 250 000 Euro – begleitet von der russischen Nationalhymne. Mitten im Geschehen stehen die beiden russischen Nationalspieler Aleksandr Kokorin und Pawel Mamajew. Es sind Bilder, die nach dem Vorrundenaus der »Sbornaja« bei der Europameisterschaft in Frankreich, die Debatte über den Fußball zwischen Moskau und Wladiwostok noch weiter anheizen.
Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht die Moral der russischen Profis. Sie müssen sich nicht nur mangelnden Patriotismus vorwerfen lassen, wie vom ehemaligen Profiboxer und heutigen Duma-Abgeordneten Nikolaj Walujew, sondern auch Arroganz und Geldgier. Der Kommunistenführer Dimitrij Sjuganow sprach von »elf Millionären mit gekrümmten Beinen, die auf dem Spielfeld lieber das Geld zählen wollen, als es umzupflügen.« Dimitrij Peskow, Sprecher des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, bezeichnete die Bilder aus Monte Carlo als eine »schamlose Zurschaustellung von Arroganz«.
Vorwürfe, die in dem von Rubelverfall und Wirtschaftskrise gepeinigten Land trotz allen Populismus’ nicht unbegründet sind. Immerhin werden in der Premjer Liga nicht nur die ausländischen Profis in Euro bezahlt, sondern auch die russischen Nationalspieler. Allein Kokorin soll bei Zenit St. Petersburg jährlich drei Millionen Euro verdienen.
Dass dies jedoch nicht der Hauptgrund für die Misere im russischen Fußball ist, ist selbst jenen Fans bewusst, die im Internet eine Petition zur Auflösung der russischen Nationalmannschaft gestartet haben. Die Initiatoren, die bisher über 900 000 Unterschriften sammeln konnten und damit mehr Unterstützer fanden, als die meisten Petitionen gegen repressive Gesetze des Kreml, fordern auch weitgehende Reformen in den Strukturen des russischen Fußballs. Diese erstrecken sich von der Nachwuchsarbeit bis zum Ausländerlimit in der Premjer Liga, der höchsten russischen Spielklasse. Laut dieser darf ein Team höchstens sechs Legionäre zeitgleich auf den Rasen schicken. Von der Regel erhoffte sich der russische Fußballverband (RFS) mehr Spielpraxis für eigene Talente. Allerdings senkte diese eher das Niveau des russischen Fußballs.
Egal ob Portugiese Andre VillasBoas, der bis zum Sommer Zenit St. Petersburg trainierte, oder der in Russland hoch angesehene Ex-Trainer Walerij Gazzajew: Sie alle bemängeln, dass sich durch diese Regelung die russischen Spieler nicht weiterentwickeln. Ein weiterer Nebeneffekt der Ausländerlimits sind die gestiegenen Preise und Gehälter für die wenigen russischen Profis. Mit dem Ergebnis, dass ein Wechsel in eine starke ausländische Liga, für viele russische Profis uninteressant wird.
Eine Abschaffung des Ausländerlimits ist trotz aller Kritik unwahrscheinlich. Schon einen Tag nach dem Ausscheiden der Sbornaja in Frankreich machte die regierungsnahe Zeitung »Rossijskaja Gazeta« die ausländischen Profis in der Premjer Liga für die Krise des russischen Fußballs verantwortlich. Dass man auf diese nicht verzichten kann, zeigen die Einbürgerungen ausländischer Profis. Vor der EM wurde nicht nur der ehemalige Schalker Roman Neustädter russischer Nationalspieler, sondern auch der bei Lokomotive Moskau unter Vertrag stehende Brasilianer Guilherme. Dieser war in Frankreich die Nummer Zwei im Tor. Vergangene Woche bekam mit Mario Fernandes ein weiterer Brasilianer den russischen Pass. Der ZSKA-Moskau-Profi gehört wie Guilherme zu den besten Spielern der russischen Liga. Nun gehört er zu den Hoffnungsträgern der russischen Nationalmannschaft.
Beim Gastgeber der WM 2018 gibt es aber nicht nur aus sportlicher Sicht Grund zur Sorge. Enorme Probleme gibt es auch bei der Fertigstellung einiger WM-Arenen und der Infrastruktur. Es hapert bei der Modernisierung der Bahnverbindungen zwischen den Spielorten und an ausreichenden Übernachtungsplätzen.
Sorge bereiten aber auch die rechtsradikalen Hooligans. Die Organisation FARE, die sich gegen Rassismus im Fußball einsetzt, fordert die russischen Verantwortlichen auf, etwas dagegen zu tun. Ansonsten könnte eine Reise zur WM 2018 für afrikanische, asiatische oder homosexuelle Fans gefährlich werden, wie FARE jüngst warnte und dabei auf die hässlichen Szenen in Frankreich verwies, als russische Hooligans für Angst und Schrecken sorgten.